- 13. Mai 2024
- Tradition & Innovation
- Reiner Schloz
Die feine Dame aus Bremen
Aus dem Archiv von GTÜ Classic: Borgward Isabella
Sie war modern, erfolgreich, galt als zuverlässig und beeindruckte mit ihrer zeitlosen Eleganz. Die Borgward Isabella erfüllte alle Voraussetzungen für eine feine Dame aus besseren Kreisen. Die Insolvenz des Bremer Automobilherstellers konnte sie dennoch nicht verhindern. Das ist über 60 Jahre her. Die Fan-Gemeinde trauert bis heute. Späte Wiederbelebungsversuche der Marke Borgward in Stuttgart scheiterten leider auch.
Es braucht ein Auto mit Emotionen
Wir cruisen durch die erste Hälfte der 50er Jahre. Die neue deutsche Mittelschicht formiert sich im aufkommenden Wirtschaftswunder und freut sich am Autofahren. Da gibt Borgward Vollgas. Der Chef persönlich, Carl F. W. Borgward aus Bremen-Sebaldsbrück, legt Hand an und formt Modelle aus Plastilin im Maßstab 1:5. Ziemlich gewagte wohlgemerkt. Jedenfalls soll der neue Borgward weder optisch noch technisch viel mit den Vorgängermodellen zu tun haben. Die Hansa war zwar ein solides Mittelklasseauto, aber emotional eher unterbelichtet.
Wie ein Auto getauft wird
Nur: Wie soll der Neue heißen? Für solche Kleinigkeiten hat der Chef keinen Kopf. „Das ist mir egal“, lässt er seine Vertriebsexperten wissen, „schreibt meinetwegen Isabella drauf.“ Damit ist der Neue also eine Sie. Das passt auch besser. Schon bei der Vorstellung 1954 wird die Isabella dank ihres modernen Konzepts und des eleganten Äußeren begeistert aufgenommen. Die feine Dame hat einiges zu bieten. Die neue selbsttragende Karosserie hat viel von der Strenge der Vorgänger verloren – dank den Auswölbungen an den Radausschnitten etwa oder den betonten Türschwellern oder der schicken seitlichen Chromzierleiste.
Das Öl wird zweimal gefiltert
Die inneren Werte sind ebenfalls beachtenswert. Die Vorderräder hängen an Doppelquerlenkern mit Schraubenfedern und Stabilisator. Hinten sorgen eine Pendelachse mit Schubstreben und Schraubenfedern für die nötige Standfestigkeit. Die Vorderachse sitzt auf einem Hilfsrahmen, ebenso wie der Motor: ein Vierzylinder–Reihenaggregat mit dreifach gelagerter Kurbelwelle und parallel hängenden Ventilen. Die seitliche Nockenwelle wird über ein Stirnradgetriebe mit Zahnrad aus gewebeverstärktem Phenolharz angetrieben. Interessantes Detail: Das Öl wird neben dem Hauptölfilter zusätzlich im Nebenstromölfilter gefiltert. Ein starkes Mittel gegen Verschleiß, das Laufleistungen bis zu 100.000 km ermöglicht. Neu ist auch die hydraulische Kupplung. Mit der Lenkradschaltung dirigiert der Fahrer vier voll synchronisierte Gänge. Der 60 PS starke Motor bekommt schon 1955 einen 75 PS starken großen Bruder.
Auf Wunsch mit Heckflossen
Die Isabella gibt es zeitlebens nur mit zwei Türen. Das gilt für die Limousine und deren Cabriolet ebenso wie für den Kombi (mit Heckklappe). 1956 legt Borgward das wunderschöne Coupé nach. Das erfährt seine Krönung – nach schwierigen Umbauten des Kölner Experten Karl Deutsch – als Coupé-Cabriolet. Und wie es sich für eine feine Dame gehört, weiß die Isabella immer wieder mit ihren Accessoires Akzente zu setzen. Bandtachometer und Rundinstrumente wechseln im Lauf der Jahre. Auch der Rhombus auf dem Kühlergrill, Borgwards Markenzeichen, ist Veränderungen unterworfen, ab 1959 gibt es das Coupé auf Wunsch im US-Look sogar mit Heckflossen.
Die feine Dame altert nicht, sie reift
Mit einem Grundpreis von rund 7.300 Deutschen Mark ist die Isabella vom Start weg ein Verkaufsschlager. Doch schon 1961 endet der Spaß mit der Insolvenz der Bremer Autofabrik. Die Produktionsanlagen landen in Süd- und Nordamerika. In Argentinien und Mexiko werden noch einige Fahrzeuge gebaut. Bis Ende 1962 laufen insgesamt rund 202.862 Isabella vom Band. Dann verliert sich die Spur. Bis vor ein paar Jahren ein moderner Borgward auftaucht. Der SUV aus chinesischer Produktion soll den europäischen Markt erobern, was nicht gelingt. Die kleine, treue Fan-Gemeinde poliert lieber die Zierleisten der inzwischen reifen feinen Dame. Am modernen Nachfolger besteht kaum Interesse.