Der ungeliebte Schönling

Aus dem Archiv von GTÜ Classic: Triumph Stag

Der Triumph Stag hatte seine Premiere im Jahr 1970 – leider mit Motorproblemen, die erst drei Jahre später gelöst werden konnten. Bild: Triumph Stag Club Deutschland

Die Regierung auf der Insel sprach Ende der 60er Jahre zur Rettung der britischen Automobilindustrie ein Machtwort. Die erfolgreichen Marken Rover und Triumph, der noble Jaguar und die Sorgenkinder wie Austin oder Morris – tags zuvor noch alles Konkurrenten – sollten in dem neuen Mutterkonstrukt British Leyland an einem Strang ziehen. Schöne Idee, nur: sie taten es nicht. Stattdessen: Misstrauen und Missgunst, Gewerkschaften in Kampfstimmung, Geldmangel, Ölkrise.  Nicht gerade der optimale Nährboden für die Entstehung eines Sportwagens, der 1970 zum Top-Modell der Marke werden sollte. Triumph zog es trotzdem durch. Heraus kam: der Triumph Stag. Ein Prachtkerl von einem Platzhirsch („Stag“), leider mit stumpfem Geweih.

Ungewöhnliches Dach

Der Turnier Designer Giovanni Michelotti konstruierte auf Basis der Triumph-Limousine 2000 ein wunderschönes 2+2-sitziges Cabriolet mit ungewöhnlicher Dachkonstruktion. Ein Targa ähnlicher Überrollbügel machte sich hinter den Türen in Dachhöhe von einer Wagenseite zur anderen breit. In der Mitte war er über einen Steg mit dem Rahmen der Frontscheibe verbunden. Starr waren zudem die Rahmen der beiden Seitenfenster des Zweitürers. Innen sorgten Walnussfurniere am Armaturenbrett und Rundinstrumente für britische Sportwagen-Eleganz.

Zwei Vierzylinder geben einen V8

Alles gut und schön? Eben nicht. Denn da war dieser Motor. Anstatt den zuverlässigen 3,5 Liter großen Achtzylinder von Rover zu nehmen, bastelte sich Triumph einen eigenen V8 – aus zwei Dolomite Reihenvierzylindern mit einem Bankwinkel von 90 Grad. Das Dreiliter-Aggregat leistete 146 PS (108 kW). Je Zylinderbank steuerte eine Kette die obenliegende Nockenwelle, zwei Stromberg-Vergaser füllten die Brennräume mit dem nötigen Luft-Sprit-Gemisch. Den Hinterradantrieb dirigierte ein manuelles Viergang-Schaltgetriebe.

Nur wenig lief richtig rund

Die Fahrleistungen fanden allgemein Anklang, allerdings war der V8 mit der ersten Auslieferung eines Stags im Juni 1970 wohl noch nicht ganz ausgereift. Der Kurbelwelle fehlte es an der nötigen Aushärtung, die Steuerketten der Nockenwellen verloren schnell an Spannung und mussten oft ausgewechselt werden. Am schlimmsten aber war, dass der Motor zum Überhitzen neigte, weil Verbrennungsabgase, die über eine mangelhafte Zylinderkopfdichtung entwichen, den eng am Zylinder liegenden Wasserkanälen das Kühlen schwer bis unmöglich machten. Dazu kam, dass die Servicekräfte im wichtigsten Absatzmarkt USA den sensiblen V8 lange falsch warteten.

Ist der Ruf erst ruiniert…

Drei Jahre brauchte Leyland, um mit neu konstruierten Kolben, überarbeiteten Brennräumen und einem geschlossenen Kühlsystem die Probleme aus der Welt zu schafften. Zu spät: Der Ruf des Stags war ruiniert. Bis zum Produktionsende 1977 entstanden nur knapp 26.000 Fahrzeuge, weniger als 7.000 davon gingen ins Ausland. Ein kompletter Flop, ein Sportwagen mit kaputtem Ruf. Einem, den er gar nicht mehr verdient hatte.

Zuverlässiger denn je

Die Rehabilitation ließ lange auf sich warten. Erst Mitte der 90er Jahre zählte der britische Rennfahrer Stirling Moss den ungeliebten Schönling zu den „zehn besten britischen Sportwagen“. Im Lauf der Jahre waren es vor allem Stag-Fan-Clubs, die nach Lösungen für die technischen Probleme suchten und fanden. Auch die Lieferung von Ersatzteilen verläuft bis heute eher unproblematisch. In Großbritannien sind noch rund 3.500 Fahrzeuge zugelassen. Der Triumph Stag Club Deutschland schätzt die Anzahl der Fahrzeuge hierzulande auf 200, die bei regelmäßiger Wartung mittlerweile vermutlich zuverlässiger sind, als zu den Zeiten, in denen sie produziert wurden.  

Ein deutscher Straßenkreuzer

Aus dem Archiv von GTÜ Classic: der Opel Diplomat

Opel Diplomat V8 Coupé

Hubraum im Überfluss, Platz zum Liegen mit jeder Menge Blech drumherum und ein Fahrwerk, das eine komfortable Fahrt versprach, so lange es geradeaus ging. Unter der Freude am Fahren verstanden die US-Amerikaner schon immer etwas anderes als der Europäer. Dennoch wagte die Adam Opel AG Mitte der 60er Jahre einen großen Schritt mit dem Ziel, Mercedes in der Oberklasse spürbar auf die Füße zu treten und das eigene Image aufzupolieren. Der Opel Diplomat, ein Straßenkreuzer mit vielen europäischen Eigenschaften, steuerte mit gewaltiger Power unter der Haube der Oberklasse entgegen. Leider kam er dort nie wirklich an. 

Mächtige Achtzylinder

Im Frühjahr 1964 präsentierte Opel die A-Serie eines Trios ziemlich großer Limousinen. Die Opel Kapitän, Admiral und Diplomat – kurz KAD-Modelle genannt – sahen alle gleich aus. Aber je nach „Dienstgrad“ versprachen sie mehr Komfort. Unter der Motorhaube des Diplomat, Oberboss des Trios, endete das Angebot mit dem Brabbeln eines mächtigen 4,6 Liter V8-Aggregats, das der Mutterkonzern General Motors beisteuerte. Ein Jahr später legte Opel ein Coupé nach, von dem nur 347 Einheiten gefertigt wurden und das bereits von einem 5,4 Liter V8 von Chevrolet angetrieben wurde und 230 PS (169 kW) leistete. Ab 1966 war dieser Motor auch für die Limousine zu haben.

Opel Diplomat 5.4 V8
Der V8-Motor braucht mehr Platz im Motorraum, deswegen kann es zu thermischen Problemen kommen.

Cruisen wie in den USA

Knapp fünf Meter lang und zwei Meter breit, dazu 1,6 Tonnen schwer und mit einem riesigen Motor ausgestattet erfüllte sich der Traum vom deutschen Straßenkreuzer. Das US-Fahrgefühl verstärkte zudem die Zwei-Gang-Automatik, die die riesige Kiste mühelos zu Höchstgeschwindigkeiten trieb. Bei einem Drehmoment von 430 Newtonmeter war schalten praktisch überflüssig. Opel verzichtete demonstrativ auf einen Drehzahlmesser. Was das Fahrverhalten anging, verhielte sich der Diplomat etwas europäischer. Federung und Fahrwerk zeigten eine gewisse Härte, Gürtelreifen sorgten für eine ordentliche Spurtreue und Scheibenbremsen für Sicherheit. Die starre Hinterachse dagegen bockte bei Querrillen.

Neue Achse für mehr Komfort

Noch europäischer gab sich die B-Serie des Trios, die von 1969 an gefertigt wurde. Opel dampfte die Karosserie in Länge und Breite etwas ein, der Diplomat hob sich optisch durch die hochkant eingebauten rechteckigen Frontscheinwerfer erstmals von den Kollegen ab. Als einer der ersten Hersteller verzinkte Opel wichtige Karosserieteile für einen besseren Korrosionsschutz. Die neue und teure starre De-Dion-Hinterachse sorgte zwar für 20 Kilo Mehrgewicht, dafür verbesserte das separat an der Karossiere aufgehängte Hinterachsgetriebe Fahrverhalten und Federungskomfort.

Opel Diplomat V8 Coupé

Der Angriff auf Mercedes

Den Diplomat gab es in drei Motorvarianten. Zur Auswahl standen ein 2,8 Liter Sechszylinder mit Vergaser (bis zu 145 PS) oder mit Bosch-Saugrohreinspritzung (bis 165 PS) und der V8 von Chevrolet. Mit US-Maschine kostete der Nobel-Opel 1970 21.556 Deutsche Mark. Er war damit deutlich günstiger als der große Konkurrent Mercedes 300 SEL 3.5. Schlagen konnte er ihn jedoch nicht. Zum einen strahlte für die bessere Gesellschaft ein Stern immer noch heller als der Opel-Blitz, zum anderen war da der große Durst. 20 Liter ließ der V8 auf 100 km locker durchlaufen, was viele abschreckte – und auch seine Lebensdauer letztlich verkürzte. Mit der Ölkrise kam der Produktionseinbruch. Liefen 1969 noch 17.777 Einheiten vom Band, waren es 1974 noch 1.754. Die Fertigung von Kapitän und Admiral wurden früher eingestellt, der letzte Diplomat wurde 1977 gefertigt.

Ärger in der Rente

Das Altenteil bekam dem deutschen Straßenkreuzer auch nicht besonders gut. Wie so oft bei üppigen Pkw gingen auch die Opel Diplomat im Lauf der Zeit durch viele Hände, die es mit der Pflege nicht so genau nahmen. Reparaturen kosteten richtig Geld, die Ersatzteilbeschaffung entpuppte sich mehr und mehr als Problem. Laut Kraftfahrtbundesamt gab es 2015 noch 341 Diplomat V8. Die Zeiten, in denen es beim Automobil immer noch ein bisschen mehr sein durfte, sind eben längst vorbei.               

Italieneischer Keil erobert die USA

Aus dem Archiv von GTÜ Classic: der Fiat X1/9

Garantierter Freiluftspaß: der Oldtimer gilt als eins der Erfolgsmodelle der Turiner Automobildynastie. Bild: Adobe-stock.com / OceanProd

Besonders schnell war er nicht, aber in den Kurven sehr agil. Seine Form strotzte vor Extravaganz und bot jede Menge Frischluftvergnügen. Der Fiat X1/9 erfüllte seine Rolle als ein kleiner Sportwagen souverän. Bei diesem Spitzenteam konnte auch eigentlich gar nichts schiefgehen. Das Zusammenspiel von Bertone und Fiat war für die Italiener so erfolgsversprechend wie das ihrer Fußballhelden Gianni Rivera und Sandro Mazzola. Schon mit dem Fiat 850 Spyder hatte das Duo aus dem Karosserie-Spezialisten Bertone und der Autofabrik von Fiat die Herzen der US-Amerikaner erobert. Doch als Ende der 60er Jahre aus Übersee knallharte Sicherheitsbedingungen für Cabrios drohten, war die Zeit des 850 vorbei. Bertone-Chefdesigner Marcello Gandini aber hatte vorausgedacht.

Plötzlich steht da eine Flunder

1969 präsentierte Bertone auf dem Turiner Autosalon mit dem „Concept Car Autobianchi Runabout“ eine keilförmige flache Flunder mit Klappscheinwerfern, feststehendem Überrollbügel in Targa-Manier und der Aussicht auf ein aufregendes Frischluftvergnügen. Wie von Bertone erwartet, griff Fiat zu und formte das futuristische Outfit leicht zur Serienreife um. Bertone hatte von Anfang an die Fiat 128-Baureihe als technische Basis im Auge. Allerdings musste die Frontantriebs-Einheit zum Heckantrieb umgewandelt werden und der Motor rutschte in die Mitte. Fertig war X1/9. Im Oktober 1972 begann die Produktion.

Spaßmobil mit eigenem Willen

Ein Auto zum Verlieben, ein Spaßmobil mit Eigenheiten. Das fing bei den Maßen an. Mit nicht mal vier Metern Länge und einer Höhe von unter 1,20 Meter wurde er gern als „Baby-Ferrari“ bezeichnet. Sein Targa-Bügel bestand aus mindestens vier Lagen Stahlblech, die jedem drohenden Überschlag standhielten. Wie es sich für ein Mittelmotor-Modell gehört, hatte der X1/9 zwei Stauräume, einen vorn, wo auch das Kunststoffdach untergebracht werden musste, und hinten. Tank und Reserverad teilen sich mit dem Aggregat den Motorraum. Den Antriebsstrang erreichte man nur über eine etwas zu kleine Reparaturklappe. Um ans Reserverad zu kommen, musste der Beifahrersitz umgeklappt werden. Richtig praktisch war das nicht.

Mehr als 86 PS waren nicht drin

Aber das sind vernachlässigbare Unbequemlichkeiten, setzt man sie in Relation zum Fahrspaß. Besonders in den Kurven zeigte der X1/9 seine Leistungsfähigkeit, schließlich sorgten Heckantrieb und Mittelmotor für eine nahezu optimale Gewichtsverteilung. Der Motor stammte vom Fiat 128, ein solider Vierzylinder-Reihenmotor mit oberliegender Nockenwelle und zwei Ventilen pro Zylinder. Er hatte 1,3 Liter Hubraum, die 75 PS (55 kW) mussten mit einem Vierganggetriebe manuell dirigiert werden. Wirklich üppig war das nicht, weshalb Fiat ab 1978 den 1,5-Liter Benziner mit 86 PS (63 kW) und Fünfgang-Schaltgetriebe nachlegte. Der Grundpreis in Deutschland betrug damals 11.285 Mark.

Zum Schluss übernimmt Bertone alles

Etwa 70 Prozent der gesamten X1/9-Produktion landeten in den USA. Fiat musste also frühzeitig mit emissions- und leistungsschwächeren Motoren für den US-Markt arbeiten. Da jedoch der gesamte Fiat-Absatz in Übersee zurückging, zog sich das Unternehmen zurück und Bertone, bis dahin nur für die Fertigung der Karosserie zuständig, übernahm den X1/9 komplett. Von 1982 an hieß der Wagen Bertone X1/9. Zwei Jahre später kam für die USA der X1/9 mit geregeltem Drei-Wege-Kat auf den Markt, Fiat bot ihn als erster Hersteller in Europa an.

Heute ist er ein Schnäppchen

Erst 1988 und nach rund 166.000 Fahrzeugen stellte auch Bertone die Produktion des X1/9 ein. Verkauft wurde der Wagen in Deutschland aber bis 1990. Es handelte sich um rückgeführte Lagerbestände aus den USA. Wer heute in den Genuss des einst futuristischen und längst zum Oldtimer gereiften Sportwagen kommen will, muss gar nicht so tief in die Tasche greifen. Gut erhaltene Modelle sind zwischen 4000 und 6000 Euro zu haben.

Im zu seiner zeit futuristischen Design war der Fiat X1/9 als kleiner Sportwagen besonders erfolgreich in den USA. Bild: Adobe-stock.com / gpriccardi