Neue Hits für die Oldie-Parade

Diese Autos von 1995 bekommen den Oldtimer-Status.

BMW Z3: Konkurrenz für die Briten

In „GoldenEye“, im Dezember 1995 in den deutschen Kinos angelaufen, stieg Pierce Brosnan nicht etwa in seinen Aston Martin – sondern schwang sich in einen schnittigen Zweisitzer mit blau-weißem Logo auf der Haube. Damit hatte der BMW Z3 Roadster seine Premiere. Dabei war es seitens des englischen Agenten nicht nur Frevel in ein deutsches Auto zu steigen – vielmehr wurde der Wagen auch noch im frischgebackenen BMW-Werk in South Carolina in den USA gebaut – God save the Queen!

Für 43.700 D-Mark konnte man die bayrische Interpretation eines typisch englischen Roadsters selbst erfahren. Mit langer Motorhaube, knackigem Heck und spritzigen Vierzylindern als 1.8er mit 115 und 1.9er mit 140 PS ging BMW an den Start und schob 1997 endlich auch Sechszylinder bis hin zum M Roadster und Coupé hinterher. Ein Auto, das heute noch einfach Spaß macht.

BMW 5er: Genialer Selbstzünder

Mercedes löst im Mai 95 mit der E-Klasse W210 die legendäre Baureihe W124 ab und BMW kontert im Dezember mit der vierten Generation des 5ers (E 39). Über 30 Millionen Testkilometer spulen die Bayern in der Entwicklung ab, 8.000 davon allein auf dem Nürburgring. Es ging um nichts Geringeres als die Vorherrschaft in der oberen Mittelklasse. Das Rennen endete fast pari – BMW produzierte mehr als 1,48 Millionen Einheiten, Mercedes gute 1,65 Millionen. Natürlich inklusive der Kombi-Modelle. Die Motorenpalette reichte vom kleinen Zwei-Liter-Sechszylinder bis zum M5 mit V8 Motor und gewaltigen 400 PS. Ein Allrad-Antrieb wie beim Vorgänger E34 gab es nicht, dafür wurden die Selbstzünder zu überzeugenden Antrieben in der Business-Klasse. Der 530d wurde 2001 als „Firmenauto des Jahres“ gefeiert und gewann auch ein „Goldenes Lenkrad“.

Mercedes E-Klasse: Echter Klassiker

Die elliptischen Scheinwerfer waren wohl das auffälligste Merkmal der neuen Business-Klasse von Mercedes (Baureihe E 210). Zwar war kein Stuttgarter Auto vorher so stark von Innovationen geprägt, aber auch keines polarisierte mehr. Dazu drehte Mercedes ordentlich an der Kostenschraube. Wasserlösliche Lacke, Elektronikprobleme und eine mangelnde Rostvorsorge machten bis zur Modellpflege einigen Ärger. Dafür wurden Maßstäbe in Sicherheits- und Fahrwerksfragen gesetzt. Allrad, neue Sechszylinder-V-Motoren, ein breites Leistungsspektrum, viel Platz und die von der C-Klasse übernommene Design-Linien Classic, Avantgarde und Elegance ließen nahezu keine Wünsche offen.

VW Sharan und Ford Galaxy: Brüderlich

Manches ändert sich auch in 30 Jahren nicht. Während der neue VW-Transporter bei Ford in der Türkei gebaut wird, trafen sich Ford und VW bereits in den 90ern zum Joint-Venture. Im gemeinsamen Werk in Portugal schickte man Sharan und Galaxy sowie ab 1996 den Seat Alhambra los, um junge Familien mit Großraumlimousinen zu versorgen. Trotz Technik-Sharing mit sparsamen TDI-Selbstzündern oder potenten 2,8 Liter VR6 Motoren waren die Modelle untereinander erbitterte Konkurrenten. In der zweiten Generation löste sich Ford aus dieser Liaison und ging mit dem Galaxy eigene Wege.

Bild: https://www.volkswagen.de/de/modelle.html

Von Ferrari bis Mitsubishi: Der bunte Rest

Traumauto Ferrari F50, flotte Flitzer wie MG F und Fiat Barchetta, Golf-Klasse-Konkurrenten wie Nissan Almera oder Renault Megane, Mittelklässler wie Opel Vectra B oder benzindirekteinspritzender Mitsubishi Carisma – allesamt fühlen sich noch gar nicht so nach Oldtimer an.

  • 09. September 2024
  • Tradition & Innovation
  • Ulf Schulz

Einkaufswagen aus Berlin

Classic Monday – der ungewöhnliche AWS Shopper.

Die Leistungsangabe weckt fast Mitleid: 13,6 PS. Auf die Stelle nach dem Komma wird wert gelegt – im Fahrzeugschein sind dadurch schließlich stolze zehn KW vermerkt. Auch sonst findet man eher Werte, die einem Motorrad würdig wären. Ganze 22 Newtonmeter aus 250 Kubikzentimetern und zwei Zylindern, zwei Sitzplätze, 415 Kilogramm Leergewicht. Ist man optimistisch, zeigt der Tacho am Ende sogar 75 Kilometer pro Stunde an. Klingt nach Downsizing und das wurde scheinbar schon viel früher erfunden, als uns die kleinhubigen und zwangsbeatmeten Dreizylinder von heute glauben lassen.

Was kommt nach dem Goggomobil?

Kurz vor der ersten Ölkrise und nach dem Ende des Goggomobils erblickt das skurrile Vehikel das Licht der Welt. Borgward-Händler Walter Schätzle, dessen Initialen sich mit seiner Frau Anneliese in AWS wiederfinden, sah im Auslauf des Goggos einen Bedarf derer, die einen Klasse 4 Führerschein besaßen und damit auf 250 Kubikzentimeter limitiert waren. Darüber hinaus sollte es seiner Idee nach aber als neues Einkaufs-, Hobby-, Junge Leute-, Großstadtverkehr-, Kleintransport-, Zweit- und Dritt-Auto verstanden werden!

Der Rahmen ist der Schlüssel

Enthusiastische Ziele, für die Schätzle 1969 den Grundstein legt. Er selbst übernimmt die komplette Ersatzteilproduktion des Goggomobils, studiert in Dingolfing die Fertigung des Kleinwagens und schafft schlussendlich mit 380 Eisenbahnwagons die ganze Produktionsstraße von Bayern ins hessische Oberbessingen. Doch Ersatzteile sind ihm bald schon nicht mehr genug. Er will einen Goggo-Nachfolger bauen, experimentiert mit Gitterrohrahmen aus alten Loyd-Auspuffanlagen – und scheitert. Im Herbst 1969 die kommt ihm die zündende Idee. Alugussecken sollen Vierkantrohre aufnehmen, die das Karosserie-Gerippe auf der bewährten Goggo-Bodengruppe bilden – die frühe Entdeckung der späteren Spaceframe-Technik von Audi!

Die Idee bekommt Kanten

Das Gerippe wird einfachheitshalber mit meist orangenen, kunststoffbeschichteten Blechtafeln beplankt und die Karosserie so konzipiert, dass die Formgebung auf einer gewöhnlichen Kantbank stattfinden kann. Form follows function par excellence – doch allein dieser Slogan klingt kreativer als das Design des AWS. Walter Schätzle wird später in einer Fachzeitschrift mit den Worten zitiert: „Wen interessiert denn wie der ausschaut, fahren muss er!“.

Ruck-zuck montiert – und günstig

Dass der Entwurf Kosten spart und von jedem Laien instandgesetzt werden kann, zeigt Schätzle im Mai 1970 auf der Hannover-Messe. Um sein Konstrukt der breiten Masse vorzustellen, heuert er Studenten an, drückt ihnen Hammer, Bohrmaschine und Nietenzange in die Hände und lässt eindrucksvoll vorführen, wie ein Jedermann in Sekundenschnelle Karosserieteile wechseln kann. Ein ausgerufener Preis von unter 4.000 DM, und der gewünschte Effekt lässt nicht lang auf sich warten. Schnell reihen sich 10.000 Vorbestellungen in die Auftragsbücher, doch nur klägliche 14 Auslieferungen schaffen es 1970 in Kundenhände. Ein Fiasko.

Wir fahren nach Berlin

Die Westberliner Enklave wird zum vermeintlich rettenden Eiland, dort winken Steuervergünstigungen. So geht der Firmengründer Ende 1971 notgedrungen den Umzug an. In Berlin-Rudow wird die neue Produktion aufgebaut und die Berliner Gazetten rufen die neue Autostadt Berlin aus. Währenddessen sucht man händeringend 300 neue Facharbeiter. Und gerade die scheinen ein echtes Problem zu sein – es gibt schlichtweg keine. Schätzle investiert viel Zeit ins Anlernen der vorwiegend türkischstämmigen Arbeiter und ebenso viel Zeit in die Nacharbeit der Wagen.

Ein jähes Ende

In der im Januar 1973 gestarteten Produktion sind so lediglich bis zu 25 Fahrzeuge am Tag herzustellen. Realitätsfern träumen Geldgeber und Investoren hingegen schon von der Produktion von Luxuslimousinen, während Schätzle eimerweise Wasser aus dem leck-geschlagenen Kahn schöpft. Im Herbst 1973 zieht er die Reißleine und verlässt das Unternehmen. Ohne zu ahnen, dass die nahende Ölkrise den Sargnagel des Automobilbaus in Berlin bereiten wird. Zwar verbraucht der Winzling wenig Kraftstoff, doch die Leute geraten bei Fahrverboten und Tempolimits kaum in Kauflaune. Und so endet die Ära des kleinen Autos für Jedermann nach gut 1.800 Exemplaren.

Eine Frau fährt um die Welt

Die Abenteuer der Berlinerin Heidi Hetzer

Fotocredit Vivian J. Rheinheimer

Mit der Erinnerung ist es so eine Sache – im kollektiven Gedächtnis verblassen selbst besondere Ereignisse oft recht schnell. Auch die Abenteuer einer kleinen Berlinerin, die nicht das Herz auf der Zunge hatte, mutig und unerschrocken war. Ihr zu Ehren gingen im Juli zum sechsten Mal rund 130 Oldtimer auf der berühmten Avus an den Start. Eine Erinnerung an Heidi Hetzer.

Fotocredit Vivian J. Rheinheimer
Fotocredit Vivian J. Rheinheimer

Emanzipation unter der Hebebühne

Rückblende in den Sommer 1937: Heidi kommt als zweite Tochter des Fahrzeughändlers Siegfried Hetzer in Berlin zur Welt. Die Liebe zu Fahrzeugen und der Marke Opel wird ihr in die Wiege gelegt. Sie wird ihr ein Leben lang verbunden sein. Im elterlichen Betrieb macht sie 1954 als eine der ersten Frauen eine Kfz-Mechaniker-Lehre. Es ist die pure Wissbegierde: Sie will begreifen, wie das Auto funktioniert, nicht nur darüber reden. Doch trotz ihrer Sachkenntnis wird sie überall „nur“ als die Tochter Hetzers gesehen. Eine Frau unter der Hebebühne ist damals wenig akzeptiert.

Verlieren gilt nicht!

Kurzerhand nimmt das umtriebige Mädchen ihr Leben selbst in die Hand, verdient sich eine Mark nach der anderen, um mit dem Ersparten eine Autovermietung zu gründen. Ende 1969 verstirbt ihr Vater und hinterlässt seine Firma im angeschlagenen Zustand. Mit ihrer einjährigen Tochter unter dem Arm tritt sie das schwere Erbe an, und schafft eines der bekanntesten Autohäuser Berlins. Ihr unternehmerisches Motto: „Siege, wenn du kannst. Verliere wenn du musst. Kapituliere nie!“

Zuhause auf der Avus

Gelernt hat Heidi Hetzer das schon früh im Sport, hinterm Lenkrad fühlt sie sich am wohlsten. Mit 17 ging sie mit ihrem Lambretta-Roller bei der Gelände-Fahrt „Rund um die Müggelberge“ an den Start, absolvierte tapfer zehn Runden im Schlamm und Dreck. Zum zweiten zuhause wird ihr die Berliner Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße, kurz: Avus. Dort geht sie 1957 mit in einem Goggomobil an den Start, donnert mit 85 km/h durch die geklinkerte Steilkurve. Als der Vater 1966 von ihrem Rennen auf der Avus in einem seiner Opel-Vorführwagen aus der Zeitung erfährt, hagelt es eine Moralpredigt. Doch von ihrer Leidenschaft kann sie das nicht abbringen.

Jede Rallye ein Abenteuer

1978 landet sie während der Rallye „Tour d´Europe“ sogar im Gefängnis, Heidi Hetzer war auf dem Weg nach Ankara mit einem anderen Wagen kollidiert. Nur eine von vielen Geschichten ihrer zahllosen Abenteuer, die von der „Rallye Monte Carlo“ über die „Düsseldorf – Shanghai“ bis zur „Carrera Panamericana“ führen. Der Motorsport lehrt sie das Kämpfen. Sich auf das Ziel zu konzentrieren, nicht ablenken zu lassen und pünktlich zu sein, das sind auch Tugenden fürs Leben. Sie weiß, dass sie als Frau in einer von Männern dominierten Auto-Welt stets strenger bemessen wird.

Von wegen altes Eisen

2012 verkauft Heidi Hetzer das 93 Jahre alte Familienunternehmen. Sie selbst ist 75 und fühlt sich noch lange nicht als altes Eisen. Vielmehr treibt es sie auf die Spuren Clärenore Stinnes, eines ihrer großen Vorbilder. Die Tochter des Großindustriellen war 1927 im Alter von 26 Jahren auf Weltreise gegangen – im Auto, versteht sich. So besorgt sich Heidi einen imposanten Hudson Greater Eight, den sie liebevoll „Hudo“ nennt und bricht im Sommer 2014 zur Weltumrundung auf. Ihre Teilzeit-Beifahrer verschleißt sie dabei schneller als sie das Ventilspiel des Motors nachstellen muss. Aber „Hudo“ ist treu.

Fotocredit Vivian J. Rheinheimer

Jubel am Brandenburger Tor

Sie selbst wird zum Symbol für einen unerschütterlichen Optimismus. Egal, was kommt, ob sie im laufenden Motor einen Finger verliert, an Krebs erkrankt oder ausgeraubt wird – für sie geht es immer irgendwie weiter. Und sie schafft es tatsächlich um die Welt: Nach fast drei Jahren auf der Straße, steht Heidi Hetzer im März 2017 unter tosendem Beifall der Zuschauer wieder vor dem Brandenburger Tor in Berlin.

Fotocredit Vivian J. Rheinheimer

Die letzte große Fahrt

Etwas ruhiger ist sie geworden, weiß jeden Tag zu schätzen und schreibt ein Buch über ihre große Reise: „Ungebremst Leben“. Obwohl sie nicht mehr ganz so rastlos ist, durchquert sie ab Winter 2018 in einem Geländewagen nochmals Afrika. Es wird ihre letzte Fahrt sein, im April 2019 stirbt sie bei einem Heimatbesuch. Aber vergessen ist sie nicht.