Ein Gendarm mit Revolverschaltung

Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Dabei greifen sie auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. Weil es viele spannende Aspekte zur Historie der verschiedenen Old- und Youngtimer gibt, veröffentlicht KRAFTHAND in loser Folge exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal: der Citroën Méhari.

Eine offen ausgesprochene Einladung für den direkten Weg zum Strand (Fotos: Jerry B. Shore, Teaserbild Michael Kauer)

Das kleine Vehikel, das sich auf alten Fotos von Frankreichurlauben findet, erinnert eher an ein Zelt als an ein Auto. Sein Name steht – in Anlehnung an seine Tugenden – für ein schnellfüßiges nordafrikanisches Renndromedar. So viel Kurioses nennt sich komprimiert Citroën Méhari und ist ein liebenswürdiger Luftikus auf Rädern.

1968 rollten die ersten dieser automobilen Dromedare vom Band. Aufgebaut auf einem Dyane-6-Fahrgestell, erhielten die munteren Flitzer eine farbenfrohe Kunststoffkarosse in Wellblechoptik, die der Plastikpionier Roland de La Poype entwarf. Den deutschen Zulassungsbehörden erschien diese Konstruktion brandgefährlich, sodass sie dem Méhari das Einreisevisum verweigerten. Deshalb wurde dieses Auto offiziell nie im Teutonenreich angeboten, nur einige wenige Exoten gerieten als Einzelabnahmen über die Grenze.

Grundsätzlich als Viersitzer konzipiert, gab es den Méhari von 1970 an auch als Zweisitzer. Die so entstandene Ladefläche deklarierte „das Dromedar“ zum Lieferwagen, was Vorteile für den Eigner hatte – er sparte die Mehrwertsteuer beim Kauf in Frankreich.

Streifen machen sich nicht nur auf Handtüchern ganz gut…

Nass werden mit und ohne Verdeck

Auch wenn seine zeltartige Dachkonstruktion und die klappbare Frontscheibe auf den ersten Blick die Nutzbarkeit bei Schlechtwetter vermuten lassen – ob mit oder ohne Verdeck, man wird nass. Und das auch noch in aller Seelenruhe, denn mit seinem luftgekühlten 602-ccm-Zweizylinder-Herzen konnte der Mehari-Lenker die 555 Kilogramm leichte Fuhre nur mit ganzen 28 Pferdestärken und einem Drehmoment von satten 39 Newtonmetern bewegen. Ein Jahr nach der Vorstellung fanden das selbst Citroën-Ingenieure zu entschleunigend und steigerten die Leistung auf 28,5 Pferdestärken.

Die nächste Leistungskur sollte dann zehn Jahre auf sich warten lassen, brachte aber zur Freude von Geschwindigkeitsfans satte 29 PS an die Räder. Es soll tatsächlich auch Leute geben, die dem Méhari seine Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h entlocken konnten. Vermutlich mit viel Anlauf, aber Zeitzeugen gibt es dafür nicht. Das langhubige Fahrwerk tat seinen Rest, sodass auch gefühlsmäßig dringend von solchen Versuchen abzuraten war.

Kein Vorzelt auf Rädern, sondern ein voll ausgestatteter Méhari (Foto: Jardin Maison)

Der Gendarm von Saint-Tropez

Doch Ironie beiseite: Um Geschwindigkeit ging es beim Méhari nie. Er wollte ein kleiner, günstiger Alleskönner zwischen Freizeit und Arbeit sein, der dem bretonischen Fischer genauso tatkräftig und zuverlässig zur Seite steht wie dem Weinbauern im Bordeaux oder – als A4x4-Méhari mit Allradantrieb – dem französischen Militär. Die Allradvariante erhielt den stärkeren Motor des Citroën Visa und wurde auch schon mal am Fallschirm aus dem Flugzeug geworfen.

Was fast unglaublich klingt, fand in den Filmen mit Louis de Funès seine Vollendung. Als „Gendarm von Saint-Tropez“ fuhr dieser 1978 in einem grünen Méhari im Kino direkt in die Herzen der Hautevolee und verhalf dem Wagen damit zu Ruhm und Bekanntheit in ganz Europa. Dass das kleine Auto auch Ernst machen konnte, bewiesen 1980 zehn Allrad-Méhari, die an den Start der Rallye Paris-Dakar gingen. Als medizinische Begleitfahrzeuge schafften es alle zehn ins Ziel, was nicht jeder Teilnehmer von sich behaupten konnte.

Beim Méhari ging es aber sowieso vor allem um den Spaß beim Fahren. Und genau das ist es, was das bunte Dromedar ausmacht. Knapp 20 Jahre benötigte Citroën, um 145.000 Fahrzeuge zu verkaufen. Auf dem Oldie-Markt steigen die Preise, und bei Exemplaren mit deutscher Zulassung ist das Angebot mehr als überschaubar. Immerhin bleibt er aber günstiger als ein echtes Renndromedar, denn dessen Erwerb kann tatsächlich in den Millionenbereich gehen.

Dieser Beitrag ist erstmals im Magazin Krafthand vom 24. Oktober 2020 erschienen, den ausführlichen Artikel lesen Sie hier.

Auch in voller Fahrt noch ziemlich lässig

Forever Young – Porsche 924/944 – Zwölf Kästen Bier in einem Porsche

Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart pflegen eine umfangreiche Datenbank. Für uns öffnen sie ihre Schatzkammer und erzählen die Geschichte besonderer Old- und Youngtimer. In loser Folge heißt es im Blog deshalb: Nostalgie wie nie …

Von wegen Hausfrauenauto: der Porsche 924 ist rennstreckentauglich (Fotos: Frank M. Orel)

Den meisten von uns, die an Porsches Baureihe 944 denken, fährt blitzartig auch ein 924 mit durch die grauen Zellen. Oft fällt dabei das wenig schmeichelhafte Urteil vom „Hausfrauenporsche“. Ist etwa alles, was kein 911 ist, kein echter Porsche? I wo. Schließlich basiert der erste Ruhm der Sportwagen auf dem 356 mit seinen vier Zylindern. Der 924 aus den Siebzigern legt die Basis für ein noch erfolgreicheres Modell in den Achtzigern, das ebenfalls im Audi/NSU-Werk in Neckarsulm entsteht.

Wie Getriebe und Achse zueinanderfinden

Es geht ums Prinzip, das sich drastisch vom bisherigen Porsche-Konzept unterscheidet. Im 924 findet sich dank des Zugriffs aufs VW-Teileregal ein wassergekühlter Zwei-Liter-Motor aus dem Audi 100. Er sitzt aber so weit vor der Vorderachse, dass das Getriebe vor der Hinterachse Platz nehmen muss. Ein Prinzip, das durch das Kunstwort Transaxle beschrieben wird: Transmission (Getriebe) + Axle (Achse). Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg war dieses System bekannt, brachte es doch die Vorteile der idealen Gewichtsverteilung und eines neutralen Fahrverhaltens mit sich. Motor und Getriebe sind mit einem starren Rohr verbunden, wobei die Kupplung direkt am Motor sitzt.

Das System sorgt im Innenraum für viel Platz, dementsprechend bewirbt Porsche seinen jüngsten Spross als Familien-Sportkombi. Der 924 wird stetig weiterentwickelt und in diversen Rennsportserien eingesetzt, wo er mit Jürgen Barth oder Walter Röhrl große Erfolge feiert. Der vergleichsweise günstige Sportwagen ist auch auf dem Markt ein voller Erfolg und sichert Porsche ein unbeschadetes Überleben in der Ölkrise. Doch es wird Zeit, an einen Thronfolger zu denken. Zumal zwischen dem stärksten 924 und dem 911 leistungstechnisch ein Loch klafft, das geschlossen werden soll. Die Stunde des 944 ist gekommen: Mit verbreiterten Kotflügeln und einem vom Produktionsstart weg eigens konstruierten Motor tritt der nächste Vierzylinder-Sportwagen 1981 seinen Siegeszug an.

Der Vierzylinder ist eine Bank

Aus der rechten Zylinderbank des V8-Triebwerks für den 928 entsteht ein Triebwerk mit 2.470 Kubikzentimetern und 163 Pferdestärken, das bei 3.000 Umdrehungen  pro Minute bereitwillig 205 Newtonmeter abgibt und den Boliden in 8,4 Sekunden von null auf 100 Stundenkilometer beschleunigt. Die verbauten Ausgleichswellen, die dem unvollkommenen Massenausgleich eines Vierzylinders entgegenwirken sollen, sind im Automobilbau heute Standard – Porsche ist der Vorreiter.

Es folgen verschiedene Motorvarianten: der 944 S kommt mit Vierventiltechnik und 190 PS, der Turbo anfangs mit 220 PS und nach bestandener Feuertaufe sogar mit 250 PS und schließlich der 944 S2 mit drei Liter Hubraum und 211 PS. Er gilt damit als hubraumgrößter deutscher Nachkriegsvierzylinder.

Dass so viel Sportwagen auch noch zwei plus zwei Sitze hat, dazu Sitzheizung, Klimaanlage, elektrische Fensterheber und ein Targa-Dach zur Ausstattung gehören, klingt fast schon nach einer Eier legenden Wollmilchsau. Eine Gasthaus-Wette beweist, dass sich problemlos zwölf Kisten Bier in diesem Porsche transportieren lassen, ohne dass die Vordersitze genutzt werden. So kann der 944 an den Erfolg des 924 anknüpfen und wird mit über 163.000 verkauften Einheiten zum Ersthelfer der Marke: Wie viel echter kann ein Porsche also sein?!

Dieser Beitrag ist erstmals im Magazin Krafthand vom 15. September 2020 erschienen, den ausführlichen Artikel lesen Sie hier.