Von der unsterblichen Liebe zum Automobil

Warum wir diese Leidenschaft nie aufgeben dürfen

Der Versuch war fast vergeblich: Gehe in eine Buchhandlung, und suche ein Kinderbuch, das mit Autos zu tun hat… Am Ende ist eine Feuerwehr-Fibel die Rettung. Denn Feuerwehr geht immer. Nebenan, im Spielwarenladen sieht es etwas besser aus, es gibt sogar wieder reichlich Rennwagen im Angebot. Aber eine bohrende Frage bleibt: wann haben wir eigentlich aufgehört, Autos zu lieben?

In Wirklichkeit: Nie.

Eine Hamburger Werbeagentur lässt sich dafür feiern, uns mit ihrer jüngsten Kampagne tief in die Seele eines bayerischen Automobilherstellers gucken zu lassen. Der wichtigste Unternehmenswert ist dabei Freude pur. Das hätten wir uns auch ohne Fernsehspot denken können: Autos machen Spaß. Immer schon. Immer noch. Immer wieder. Immer weiter. Und ja, sie lassen sich sogar lieben.

Autos frisieren: Waschen, föhnen, legen

Der heiße Tipp für die Spurensuche kam von einem Freund: Samstagmittags, Waschstraße Stuttgart-Feuerbach. Wobei Straße untertrieben ist. Es handelt sich mehr um einen Palast. Mit 4.000 Wäschen am Tag die größte der Welt. Samt flatrate und happy hour, die hier Goldene Stunde heißt. Nur Anfänger in der Liebe lassen hier bloß waschen. Für professionelle Liebhaber gibt es hier, ganz wie bei einem Edel-Coiffeur, eine respektable Menü-Karte mit Extras. Wer will, kann sich nach dem Schaumwaschgang mit Wachsversiegelung per Hand auch noch die Flanken der Reifen schwärzen. (Wird von Gelegenheits-Autofahrern tatsächlich sträflich vernachlässigt!) Feintuning, wie es besser nicht geht. Wie haben die Auto-Werber noch getextet: „Wohin der Weg auch führt, jede Fahrt beginnt im Herzen.“ Und mit einem sauberen Gewissen.

Hauptsache nicht nebensächlich

Damit wir uns gleich richtig verstehen: Bei der ausgeprägten Autoliebe handelt es sich längst nicht nur um eine rein männliche Ausprägung. Nicht nur, dass der Waschpalast eine Chefin hat. Ohnehin ist das Auto ist sächlich, rein grammatikalisch – Nominativ Singular – gesehen. Selten nebensächlich. Eher hauptsächlich, für sehr viele. Autos dürfen immer noch sein, was sie schon ursprünglich ausgedrückt haben: die Verheißung der individuellen Unbekümmertheit. Steht ihnen auch viel besser, als zum bloßen Politikum zu werden. „Befreundet sein mit Autos“ ist daher einer der Schlüsselsätze des mobilen Feuilletonisten David Staretz.

Stadtverkehr macht schön

Autos verkörpern Träume, mit Autos lassen sich Träume verkaufen. Vielleicht vergessen wir im Mutterland der beschleunigten Bewegung, einen Grundwert, wie ihn uns die „Neue Zürcher Zeitung“ freundlicherweise bescheinigt: „Deutschland kann stolz auf den Automythos sein.“ Ein Urteil fern jeglicher Propaganda in die eine oder andere Richtung. Alles begann so richtig wohl mit dem Knattern des Käfers – und lässt uns seither nicht mehr wirklich los. Wer das Schnurren eines Elektroautos verehrt, gehört selbstverständlich auch zur Gemeinschaft. Bleibt die radikale Feststellung des Publizisten Ulf Poschardt: „Die Schönheit der Autos gibt den Städten mehr, als die Fahrzeuge den Städten nehmen können.“ Hegen und pflegen erscheint damit nicht bloß als Selbstzweck.

Leidenschaft im Breitwandformat

Damit ist klar, dass auf den Straßen das Prinzip der freien Liebe herrscht. Zwar ist der Waschpalast im Grundsatz immer noch ein höchst pragmatischer Ort, aber dennoch ein Hort der Leidenschaft: Hübsch machen fürs Ausfahren. Denken Sie ruhig darüber nach, das nächste Mal, wenn sie im Auto sitzen und auf Hochglanz schamponieren lassen. Die Windschutzscheibe liefert die Panorama-Perspektive – Zuneigung im Breitwandformat. Liebe, auch die zum Auto, ist nichts Selbstverständliches. Und: Niemand muss sich für seine Liebe rechtfertigen.

Richtig in die Gänge kommen

Was Handschaltung mit Romantik zu tun hat.

Es ist einer der erhebendsten Momente der Kindheit, jedenfalls wenn man deutlich vor der Jahrtausendwende groß geworden ist. Zum ersten Mal auf dem Vordersitz in Papas Auto mitfahren. In Nahaufnahme mitbekommen, wie der Vater das Auto in Bewegung versetzt, steuert, beschleunigt. Und plötzlich sagt der Herr Papa: Willst Du nicht auch mal schalten? Natürlich liegt die väterliche Hand auf der des Jungen, der den Schalthebel anfangs etwas ängstlich umklammert, damit Getriebe keinen Schaden nimmt. Aber mit der Zeit geht es immer besser, und was für ein Gefühl das ist – mit sechs oder sieben schon richtig Auto fahren. Höchster Gesprächswert auf dem Schulhof am nächsten Tag, wo aus erster Hand fachmännisch erklärt wird, was es mit den geheimnisvollen Zahlen 1-2-3-4 und dem Buchstaben R auf dem Schaltknüppel auf sich hat.

Wo bleibt der Schub?

Selbst Jahrzehnte später ist der große Moment noch präsent, auch wenn in der Garage neben dem Schaltgetriebe längst auch die Automatik Platz gefunden hat. Dann, eines Morgens, der große Schock. Ausgerechnet auf den Lifestyle-Seiten der Neuen Zürcher Zeitung findet sich ein erschreckender Erlebnisbericht: „Warum es beängstigend ist, dass die manuelle Autoschaltung verschwindet.“ Wie bitte, kein Kick mehr, wenn man im richtigen Moment gekuppelt und hochgeschaltet hat, ganz ohne Haken? Nicht mehr das Schubgefühl, das sonst nur die Jet-Piloten haben? Nur noch ein lahmes verschieben des Hebels? Sollen jetzt auch noch die letzten Geheimnisse der Mobilität verloren gehen?

Richard Gere konnte es nicht

Natürlich ist es kein besonders sachliches Argument gegen das Elektroauto, dass dieses mit einem Ein-Gang-Getriebe auskommt. Es muss einen auch wirklich nicht stolz machen, sein Fahrzeug als Ganzes zu beherrschen. Aber die Schweizer Autoren beklagen einen gewissen Verlust der Romantik, weisen auf die holprige Fahrt von Richard Gere und Julia Roberts in „Pretty Woman“ hin. Und schwärmen von einem Gefühl, dass keine noch so schnelle und sanfte Automatik hinbekommt: nämlich jenem, am längeren Hebel zu sitzen.

An die Kalorien denken!

Es wird gegen die Pläne der Massenhersteller, die Schaltung nach und nach ganz verschwinden zu lassen, nicht helfen, aber es ist ein veritables Argument für mehr Sicherheit: die manuelle Kontrolle eines Fahrzeugs verlangt eine höhere Konzentration. Und die körperliche Betätigung führt dazu, dass über Armmuskeln und im Zusammenspiel mit dem Kupplungsfuß der Kalorienverbrauch während der Fahrt steigt – auf etwa 120 Kalorien innerhalb einer Stunde, im Stadtverkehr vielleicht sogar noch mehr. Wer mit Schaltung fährt, braucht keine Abnehmspritze.

Ein echter Hand-Elfer

Kein Trend ohne Gegenbewegung: Handschalten ist so selten geworden, dass es exotisch erscheint. Das kann richtig Eindruck hinterlassen, wie ein Autotester findet, der einen nagelneuen, aber komplett reduzierten Porsche 911 T ausprobieren durfte – den letzten Elfer mit Stick. Der Fachmann von „auto, motor und sport“ schwärmt vom Schichtholzknauf aus Nussbaum: „Echt griffig, echt kultig!“ Und er schwört auch auf die extrem kurzen Schaltwege. Für alle Nostalgiker müssen wir allerdings noch den Grundpreis nachschieben, der nicht für alle gangbar sein dürfte: 141.700 Euro.

Bruno Sacco – der Mann, der Mercedes in Form brachte

Die Blog-Serie zu den berühmtesten Automobildesignern, Teil eins.

Bild: https://www.mercedes-benz.com

Sie bestimmen das Aussehen unserer Autos, und damit auch das, was wir im Alltag sehen oder fahren. Aber die Gesichter der Designer selbst bleiben in der Regel im Verborgenen. Stille Künstler. Dabei verbergen sich dahinter selbst echt Typen. In dieser Serie stellen wir einige der angesehensten Fahrzeugschöpfer vor.

Schöpfer vieler magischer Kürzel

Geboren im friaulischen Udine, gestorben im württembergischen Sindelfingen – das sagt schon viel aus über den Lebensweg von Bruno Sacco. Über 40 Jahre lang hat er deutschen Automobilen eine italienische Seele gegeben, war der Vater hinter den magischen Mercedes-Kürzeln W123, W126, 190er. Schon als junger Gestalter durfte er an legendären Autos wie dem 600er und den Pagoden-Roadstern mitwirken. Stilistik nannte sich das damals, ein treffendes Wort.

Schönheit darf nicht altern

Mercedes übertrug ihm in den Siebzigern dann das Studio, im schönsten Konzerndeutsch „Abteilung Karosseriekonstruktion und Maßkonzeption“ getauft. Die futuristische Flunder C111 stammt aus seiner Feder, aber auch die massive S-Klasse. Gute Designer richten sich nach dem Markt und versuchen dann das Beste daraus zu machen. Eine Frage des guten Stils, den Sacco zweifelsohne im Blut hatte. „Verantwortlich zeichnen“, das ist nicht einfach eine Floskel. Wenn eine Baureihe auf dem Markt sieben Jahre überstehen soll, dann darf man darüber ruhig ein bisschen länger nachdenken. Dazu Saccos Leit- und Merksatz: „Gutes Design braucht Zeit, um seine Wirkung zu entfalten, nur dann wird es lange als attraktiv empfunden, spontane Schönheit altert schnell.“

Die große Kunst des Weglassens

Wie bei vielen Autodesignern war sein Job und sein Ziel, möglichst viel wegzulassen. So lange, bis eine Skulptur auf Rädern übrigblieb. Die musste bei Bruno Sacco dann allerdings aerodynamisch absolut perfekt sein. Klare Linienführung und harmonische Proportionen zeichnen Saccos Schöpfungen aus, seine Philosophie ist die zeitlose Eleganz. Daraus ergibt sich auch, dass ein SLK eben anderes aussehen muss als ein SL – beide aber trotzdem als Familienmitglieder erkennbar bleiben. Unumstößlicher Leitsatz des Sternendeuters: „Ein Mercedes-Benz muss immer aussehen wie ein Mercedes-Benz.“ Bruno Sacco ist der Mann, der Mercedes in Form brachte. Auch wenn er nie ein Designstar sein wollte, sondern immer Teamplayer war.

Sein ganzer Stolz: die S-Klasse

Ein Schöngeist, der viel der Funktionalität unterordnete. In der Schlussphase seines Schaffens, längst Direktor und damit Designchef für alle Arten von Fahrzeugen geworden, leiht er sein waches Auge auch der A-Klasse, der M-Klasse und der V-Klasse. Besonders stolz aber ist er auf seine S-Klasse: „Von allen Gestaltungsformen das Beste, was ich für Mercedes‑Benz gemacht habe.“ Coupés waren für ihn ohnehin die „Filets einer Baureihe.“  Bis zu seinem Tod im Herbst 2024 (und im hohen Alter von 90) stand ein dunkelblauer 560 SEC in seiner Garage. Seine Fähigkeit, Ästhetik und Technik harmonisch zu verbinden, hat ihm Einfluss und Achtung weit über die Mercedes-Grenzen hinaus verschafft.