Wenn das Auto plötzlich mitredet

Eine Kolumne zur (Auto-)Elektronikmesse CESs

Neuer VW Golf GTI, Foto: Volkswagen
Neuer VW Golf GTI, Foto: Volkswagen

Autoausstellungen waren gestern, heute sind es Elektronikmessen. Wer wissen will, wie wir uns in Zukunft fortbewegen sollen, der muss zwangsläufig zum Nerd werden. Was es da alles gibt in Las Vegas, auf der Consumer Electronics Show, selbstredend der größten der Welt: einen durchsichtigen Fernseher, eine vollautomatische und personalisierte Hundeklappe fürs Eigenheim, eine Selfie-Drohne für die Hosentasche – und natürlich reichlich Autozubehör, dass das Fahren leichter und sicherer machen soll. Das klassische Automobil schrumpft in Zeiten der Künstlichen Intelligenz offenbar auf das, was zwischen Batterie und Software noch übrig ist.

Chatbot wird Pizzabote

Hilfe, mein Auto spricht mit mir! Warum auch nicht. Dank ChatGPT tut das der Küchenherd inzwischen ja auch. Der Fortschritt ist dabei, dass die KI inzwischen auch in voller Fahrt ganze Sätze bilden kann sowie bereits ganze Unterhaltungen mit dem Chatbot möglich sind. Volkswagen fährt bei der Technik-Show in der Wüste Nevadas schon voll auf den Sprachassistenten ab. Einer muss ja den Durchblick bei der Bedienung der ganzen Systeme im Cockpit haben, die sich aus-, ein- und umschalten lassen. Und mit belauschten Schlagworten wie „Pizza“ wird einem automatisch gleich der nächste Italiener vorgeschlagen.

Sprachassistent im Cockpit
Bild: Lazy_Bear – stock.adobe.com

Luftschlösser in voller Fahrt

In Wolfsburg meinen sie es bei der Reise in die Zukunft inzwischen besonders Ernst. Das Aufsehen auf der CES jedenfalls war groß, nachdem Elektroautos von VW dank einer Boschentwicklung künftig selbst zum Stecker fahren können sollen. Dabei verbindet ein Roboterarm Fahrzeug und Ladesäule. Fehlt nur noch, dass die Software auch den günstigsten Stromanbieter ermittelt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing applaudiert aber auch so dem autonomen made in Germany. Bosch schiebt sogleich Siliziumkarbid-Chips für ein schnelleres Laden der Batterien hinterher und die heimischen Autobauer schaffen mithilfe der Cloud immer neue mobile Luftschlösser. Da denkt der Motorradhersteller Verge schon realistischer, sechs Kameras und Radar vorn wie hinten sollen das Zweiradvergnügen sicherer machen und vor Gefahren warnen.

Mit Roboterarm zur Ladesäule
Bild: Artstation – stock.adobe.com

„Hyperpersonalisiert“ als Zauberwort

Kaum eine andere Branche hat sich in Zeiten der Transformation so stark und schnell gewandelt wie die Automobilbranche. Mercedes und BMW liefern sich das altbekannte Süd-Duell auf neuem Terrain, und es geht nicht mehr nur um Bildschirmgrößen. Alles, was irgendwie vernetzt werden kann, wird vernetzt. Was wirklich Sinn macht, wird übrigbleiben. Das kennt jeder aus den Pionierzeiten des Internets. Denn wer nicht herausfindet, was einem wirklich nützt, verplempert bloß seine Zeit. Gut, wenn die Technik smart ist, smarter, wenn es auch der Mensch bleibt. Vom „hyperpersonalisierten Kundenerlebnis“ spricht Mercedes-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer, der Stern und Google machen längst gemeinsame Sache bei der digitalen Vollversorgung im Auto. Industrialisierte Besserwisser.

Übermorgen fliegen wir

Volkswagen spricht bescheidener vom Infotainment, bei BMW heißt es Ultimate Digital Experience – aber alle meinen das Gleiche: die Autos werden ein App-Store auf Rädern, insbesondere in der Oberklasse. Hyundai ruft gleich das selbst lernende Auto aus, was hierzulande automatisch die Datenschützer auf den Plan rufen wird. Sind wir am Ende alle mit einer zum Fahrzeug gehörenden AR-Brille unterwegs? Nicht alle Zukunftsaussichten sind eben angstfrei. Die Optik der neuen Null-Serie von Honda oder der PV von KIA ist ebenso gewöhnungsbedürftig wie Teslas Cybertruck. Aber warten wir ab, bis die in Las Vegas gezeigten Flugautos von Hyundai und Xpeng wirklich abheben. Bis dahin bleibt uns das analoge Vergnügen, im Stau zu stehen. Es sei denn, die künstliche Schwarmintelligenz findet einen besseren Weg.

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Das Zukunftsszenario Flugautos
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