- 01. April 2022
- Tradition & Innovation
- Elmar Brümmer
Wenn Autokäufer Farbe bekennen müssen
Zeig mir Deinen Lack, und ich sage Dir, wer Du bist…?
Die Farbe war so ziemlich das Beste an ihm. Ein Opel aus den späten Siebzigern, der Gründungszeit der GTÜ. In der Kleinanzeige stand lediglich „C-Modell“. Und nichts vom eigentlichen Mehrwert, der Lackierung: Orange, und was für strahlendes! Drei Jahre hat der Lack uns zusammengehalten. 120.000 Kilometer auf dem Tacho, aber viel Flowerpower. Ein bisschen Pop-Art auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Die Nachbarn nannten ihn Cadettiläc.
Autofarben sind immer Botschaften
So kam Orange als Lebensgefühl in den Alltag des Autors. Im Buddhismus die Farbe der höchsten menschlichen Erleuchtung. Beim Kadett stellte sich diese gelegentlich erst nach ein paar zärtlichen Schlägen auf den Anlasser ein. Oh wie Orange! Das Spezi unter den Farben, der Cocktail von Rot und Gelb. Altert angeblich nicht. Spätestens jetzt dürfte klar sein: Mindestens so wichtig wie die PS-Zahl und die Innenausstattung ist für jeden Autokäufer die Außenfarbe.
2022 ist Flieder angesagt
Mit dem Frühling kommt auch in diesem Jahr die Lust auf Schausonntag im Autohaus und die neuen Farbvarianten mit so klingenden Namen wie Mahagonimetallic oder Snapper Rocks Blau. Selbst wer nicht kaufen, sondern nur gucken will, der liebt es farbenfroh, nach all dem Grau der letzten Zeit. Die Farbe des Jahres 2022 heißt ganz offiziell übrigens Very Peri und ist ein – etwas gewöhnungsbedürftiger – Violettton. Sieht aus wie Flieder und soll Zuversicht ausdrücken. Merke: Autofarben sind immer auch Botschaften. Wobei sie sich niemals für ihre eigene Wahl rechtfertigten sollten. Die Stilikone Iris Apfel bemerkt ganz grundsätzlich: „Ich habe noch keine Farbe gefunden, die mir in der passenden Helligkeit nicht gefällt.“
Die dunkle Seite des Automarkts
Die meisten Menschen hierzulande haben offenbar kein Problem, ihre dunkle Seite zu offenbaren: 1991 war ein schwarzes Auto noch fast die Ausnahme. Heute sind nach Erhebungen des Kraftfahrtbundesamtes über die Hälfte der in Deutschland zugelassenen Neufahrzeuge grau und schwarz. „Gedeckte Farben“ nennt sich das in der Designphilosophie. Dass Grau mit einem Drittel aller neuen Autos der Marktführer ist, muss nur auf den ersten Blick erschrecken: Denn dazu zählen die Statistiker auch das elegante Silber und das unentschiedene Anthrazit. Für die auffällig hohen Dunkelziffern beim Lack sorgt aber wohl nicht nur der Geschmack, sondern auch der Wiederverkaufswert. Leasingunternehmen und Firmenflotten pochen darauf.
Die Farbe der Liebe in einer Nebenrolle
Dabei ist Lack mehr als nur die Schminke des Autos. Die Farben unserer Fahrzeuge spiegeln unser fahrendes Ich wider, die eigenen und die gesellschaftlichen Stimmungen und Schwingungen. Lassie, unser Redaktionsfahrrad, zeigt beispielsweise mit seinem Rot eindeutig die Liebe zur Mobilität. Sympathisanten dieses Warntons halten sich mit sechs Prozent Marktanteil stabil. Aber es war schon mal bunter. Blau und Braun setzen noch Akzente, aber kein Vergleich zum neutralen Weiß, das sich bei über 20 Prozent hält.
Sieben Jahre bis zum Sattsehen
Dass es wieder bunter wird, hat sicher auch damit zu tun, dass mehr und mehr Frauen Neuwagen kaufen, diese Art der Emanzipation verändert tatsächlich die Statistik. Generell entscheidet ohnehin meist die ganze Familie bei der Farbe mit. Man will doch sein Auto streicheln, zumindest mit den Augen. Weshalb die Automobilhersteller ganze Abteilungen von Trendforschern, Designern und sogar Psychologen beschäftigen. Deren Job geht weit über die Frage hinaus, was uns heute oder morgen optisch bewegt. Sie müssen herausfinden, was auch in fünf bis sieben Jahren noch ins Auge fällt, denn so lange wird das Auto sein Kleid mindestens tragen. Farbe signalisiert Gelassenheit, aber vor allem Verbundenheit.
Mut zur Farbe
Wer mehr über die Trendfarben bei Old- und Youngtimern erfahren möchte, dem sei auch der Artikel „Mut zur Farbe“ auf dem Classic-Portal der GTÜ empfohlen: www.gtue-classic.de