- 04. Dezember 2023
- Tradition & Innovation
- Herbert Schulze
Not macht erfinderisch: 75 Jahre Unimog
Classic News im Blog: das Universelle-Motor-Gerät.
Wäre es nach dem Zweiten Weltkrieg nach den Plänen des damaligen US-Finanzministers Morgenthau gegangen, dann wäre Deutschland ab 1945 in ein Agrarland umgewandelt worden. Insbesondere die deutschen Ingenieure und Industriearbeiter bangten um ihre Zukunft und in der Not fingen die bereits von der Front und aus der Gefangenschaft heimgekehrten Fachleute an, sich Gedanken über das Leben in einem möglicherweise landwirtschaftlich geprägten Deutschland zu machen. Darunter auch der ehemalige Leiter der Flugmotorenentwicklung bei Daimler-Benz, Ingenieur Dr. Albert Friedrich, der nach Kriegsende in Schwäbisch Gmünd bei der Firma Erhard & Söhne mit einer Agraridee vorstellig wurde, die Autogeschichte schreiben sollte.
So entsteht der berühmte Name
Der 1844 gegründeten Gold- und Silberwarenfabrik, die sich später als Spezialist für Metallverarbeitung und Galvanotechnik etablierte, kamen die Ideen des ehemaligen Flugmotorenentwicklers gerade recht. Im Dezember 1945 begannen deshalb die Vorarbeiten zum Projekt „Universelles-Motor-Gerät“, der Prototyp stand ein halbes Jahr später für eine Probefahrt bereit. Der „UNIMOG“ war geboren.
Not macht erfinderisch
Bereits 1946 erhielt Erhard & Söhne von den zuständigen amerikanischen Militärbehörden die Genehmigung zum Bau dieses Agrarfahrzeugs. Die Betriebserlaubnis erfolgte zunächst als „Ackerschlepper“. Die ersten Exemplare besaßen einen 1.7 Liter Vierzylinder-Ottomotor (Typ M136). Spätere Fahrzeuge wurden von 1948 an mit einem Daimler-Benz Dieselmotor vom Typ 170 D ausgestattet, der 25 PS leistete. Not macht erfinderisch, das passende Material für den Bau der ersten UNIMOGs wurde aus Restbeständen zusammengesucht. Unterscheidungsmerkmal zu den normalen landwirtschaftlich genutzten Traktoren waren die vier gleichgroßen Räder, die allradgetrieben auf jedem Untergrund zügig vorankamen.
Ausprobiert – und funktioniert
Das Fahrzeug hatte zudem eine Fahrerkabine mit Faltdach und eine kurze Ladefläche, dazu Anschlüsse an die Zapfwelle. Über die hydraulischen Kraftheber bot sich die Möglichkeit, landwirtschaftliche Geräte wie Mähbalken einzusetzen. Die ersten Probefahrten verliefen durchweg zufriedenstellend. Da aber weder die Kapazitäten noch ausreichende Räumlichkeiten in Schwäbisch Gmünd vorhanden waren, übernahm Ende 1947 die Firma Gebrüder Böhringer in Göppingen die Fertigung. Die erste Baureihe, intern Typ 70200 genannt, ging dann 1948/49 in Serienfertigung. Bis 1951 entstanden in Göppingen rund 600 Fahrzeuge dieses Erfolgsmodells, bevor die gesamte Produktion, Entwicklung und der Vertrieb des UNIMOG zu Daimler-Benz ins badische Gaggenau verlegt wurde. Ab Juni 1951 lief dann das erste Modell der Baureihe 2010 vom Band. Das Markenzeichen, der Ochsenkopf mit Nasenring der Firma Erhard und Söhne, wurde durch den Stern von Mercedes-Benz ersetzt.
Vom Acker bis zur Feuerwehr
Der UNIMOG gilt eine der bedeutendsten Entwicklungen der deutschen Nachkriegszeit. Bis heute wird er mittlerweile in 160 Ländern eingesetzt und hat sich im Verlauf der Jahrzehnte durch andauernde Weiterentwicklungen vom landwirtschaftlichen Einsatzfeld auch in zahlreiche andere Einsatzbereiche verlagert. Neben Kommunaldiensten, Feuerwehr, Verteidigung und Bergbau ist der UNIMOG auch in der Wald- und Forstwirtschaft anzutreffen. Die Gesamtstückzahlen der UNIMOG-Produktion lagen bis 2020 bei rund 400.000 Exemplaren; wobei festzustellen ist, dass viele der historischen Fahrzeuge noch heute im Einsatz sind.
So funktionierte der Ur-Unimog
Die in Schwäbisch Gmünd 1948 von Erhard & Söhne gebaute Ur-Version des Unimog besaß einen 4-Zylinder-Dieselmotor mit 1.7 Liter Hubraum und 25 PS Leistung. Dazu eine Bosch-Einspritzanlage, Drehzahlregler und Wasserkühlung mit Zwangsumlauf und elektrischem Starter. Das Getriebe besaß sechs Vorwärts- und zwei Rückwärtsgänge, Allradantrieb, abschaltbarer Vorderradantrieb, Differentialsperre vorne und hinten. Technische Merkmale waren die elektrische 12-Volt-Anlage, zwei Scheinwerfer, Horn, Scheibenwischer und Fahrtrichtungsanzeiger sowie das Rücklicht. Das Fahrgestell war ein Rechteckrahmen aus U-Profilen mit starrer Vorderachse, Achsantrieb und Laufradvorgelege, Schraubenfedern und Rheinmetall-Doppelgelenken. Eine starre Hinterachse mit Achsantrieb, die identisch mit der Technik der Vorderachse war, vervollständigten den Vierradantrieb.
Wenn Sie verschiedene Modelle dieses historischen Fahrzeugs live erleben möchten, bietet sich das Unimog-Museum im badischen Gaggenau an.