Mobiles Leben: Gestatten, Lassie!

Warum dieser Blog ein ganz besonderes Dienstfahrzeug bekommen hat, und wie sich das auf künftige Texte auswirken wird.

Alle, die es vielleicht überrascht, dass an dieser Stelle ein Fahrrad zu ihnen spricht, sollten sich nicht groß wundern. Wenn zu Hause ein fest installierter Lautsprecher einem auf Zuruf die Termine des Tages und gleich die dazu passenden Songs heraussucht, zeigt das doch nur: Unsere moderne Welt entwickelt sich rapide weiter. Mobilität holt uns immer wieder ein, manchmal überholt sie uns. Mit diesen mobilen Welten wird sich an dieser Stelle künftig eine Kolumne beschäftigen. Ernstzunehmend, augenzwinkernd – je nach Weltlage.

Aus einer Laune heraus haben die Autoren mich ins Spiel gebracht. Ein Bonanzarad. Wer jetzt denkt, dass meine große Zeit schon ein halbes Jahrhundert zurückliegt, der scheint mir noch nicht richtig sattelfest, was Trends angeht. Aber das wird sich ändern, mit dieser Kolumne – und mit mir.

Stichwort: Coolness-Faktor. Bei meiner ersten Tour durch die GTÜ-Metropole Stuttgart ist dem Fotografen und dem Texter schnell klar geworden: Cooler als ich mit meinem Bananensattel, dem Überrollbügel und natürlich dem Fuchsschwanz (danke, Sibylle, fürs Frisieren) wäre vielleicht nur noch ein Einrad mit grünen Felgen. Aber auch das bloß vielleicht.

Mein Job ist es, den Zeitgeist aufzuspüren, den Fährten der Mobilität zu folgen, mich in allen Welten zu bewegen, mehr Gefährte als Fahrrad. Äußerst kommunikativ bin ich auch. Blicke verfolgen mich, ich bringe Menschen aller Altersklassen zum Lächeln, ein paar Hipster-Räder zu blankem Neid, mein Aufriss-Faktor ist geschlechterübergreifend hoch. Nur einer dieser Besserwisser, die es in jeder Stadt gibt, raunt mir leicht beleidigend zu: „Schutzblech hat ’ne Delle, Socken hat er auch keine an …“ Pah! Ersteres spricht für Authentizität und Nachhaltigkeit, Letzteres betrifft den, der mich fahren und schieben durfte.

Ich sage nur: Die Polizeimotorräder haben ehrfürchtig für mich angehalten. Kein Problem, Jungs, wir müssen nicht immer Staatsbesuch spielen. Ich sorg in Zukunft schon selbst für freie Fahrt. Die Rau-Reiter wollten, ganz korrekt, auch meine Personalien wissen. „Lassie“, habe ich gesagt, „sie nennen mich Lassie.“ Das sei aber erklärungsbedürftig. Finde ich nicht: Ganz abgesehen von meinem Spürsinn, von meinem Tempo und den Distanzen, die ich in jeder Folge zurücklegen werde, hat das vorrangig mit meiner Lässigkeit zu tun.

Pate könnte Lassie, der berühmte Film- und Fernsehhund sein, der schon da war, als ich in den Siebzigern auf die Welt kam – in jener Zeit, in der mit Bonanza eine andere Serie auch ein Hit war. Ob ich sie oder er bin, kann sich jeder selbst aussuchen. Auf Schottisch bedeutet Lassie jedenfalls Mädchen. Haben nicht alle Autos, sogar die der Formel-1-Weltmeister, Mädchennamen? Wäre ich ein Junge, hat mir meine Ziehmutter aus der Agentur gedroht, wäre ich Flipper getauft worden.

Jetzt wissen Sie, wer ich bin, wo ich hinmöchte. Begleiten Sie mich doch auf meiner Reise durch die Welt der Mobilität. Jeden Monat in diesem Blog. Ansprechen dürfen Sie mich natürlich auch. Was für ein treuer Gefährte ich bin, hat sich schon beim ersten Fototermin gezeigt. Der Autor, der mir seine Worte leiht, klagte anschließend eine Woche lang über einen Rundrücken und von Pedalen aufgeschrammte Knöchel.

Das unterstreicht doch nur, dass ich nicht zum Schieben gemacht bin. Sondern zum Fahren und Erobern.

Bonanzaräder

Bonanzaräder stammen von der US-Westküste, daher wohl auch die zeitlose Lässigkeit: artverwandt mit Choppern und Cruisern. Als „Stingray“ wurde das erfolgreichste Modell bezeichnet. Typisch sind der lange Bananensattel mit hohem Bügel sowie der Hirschgeweih-Lenker. Im Verhältnis klein sind die 20-Zoll-Räder. Dreigang-Nabenschaltung ist Pflicht, ein Auto-ähnlicher Schalthebel die Kür. Individualisierung ist aber sonst alles: Fuchsschwanz oder Wimpel am Bügel, Spielkarten in den Speichen, Bänder am Lenker.