Michael Mauer – der Mann, der Porsches Erbe hütet

Die Blog-Serie zu den berühmtesten Automobildesignern, Teil zwei.

Bild: newsroom.porsche.com/de

Sie bestimmen das Aussehen unserer Autos, und damit auch das, was wir im Alltag sehen oder fahren. Aber die Gesichter der Designer selbst bleiben in der Regel im Verborgenen. Stille Künstler. Dabei verbergen sich dahinter selbst echt Typen. In dieser Serie stellen wir einige der angesehensten Fahrzeugschöpfer vor. Diesmal: Michael Mauer, der für alle Porsche in diesem Jahrtausend verantwortlich zeichnet.

Eine Studie besagt: Wenn Kinder ein Auto zeichnen sollen, zeichnen sie einen Käfer. Sollen sie ein schnelles Auto malen, wird es die Form eines Porsche. Automobildesign scheint so einfach. Michael Mauer muss schmunzeln über diese Annahme. Mitten im Gespräch hatte er sich einen kleinen Stapel Papier genommen und angefangen, seine Worte mit Skizzen zu untermalen. Nur für sich. Weshalb er bestätigen kann: „Ich erkläre Kindern, die mich fragen, was ein Designer so tut, auch immer: Autos malen. Meistens beginnen sie dann selbst zu malen, entweder eckig oder rund. Und wenn sie es sportlicher machen, wird es flacher. Ich weiß nicht, ob das bewusst geschieht. Aber sowohl der Käfer wie der Porsche sind Arche-Typen für das Thema Automobil. Und in der heutigen Zeit, wo im Automobildesign viel überladen wird, drücken solche Kinderzeichnungen unbewusst aus, dass ein Porsche immer noch eine Form besitzt, die – in Anführungsstrichen – nicht zu verbessern ist.“

Wie kommt ein Porsche in Form?

Aber genau das ist die Aufgabe des 63-Jährigen: die perfekte Form immer noch ein bisschen besser zu machen. Ein Traumjob, aber eben auch einer, der einem schlaflose Nächte bereiten könnte. Dafür ist der Feingeist Mauer aber nicht der Typ. Er schafft automobile Träume, aber er ist sehr klar in seinem Auftritt und seinem Tun: „Der Ansatz, dass die Form der Funktion folgt, hat ganze Generationen von Designern geprägt. Einige fanden das langweilig, sie haben Abwandlungen wie „form follows emotion“ gesucht. Aber auf die Fahrzeuge von Porsche trifft der ursprüngliche Leitsatz immer noch zu. Wir pflegen ein sehr schlichtes Design, im sehr positiven Sinne gemeint. „Die gewisse Zurückhaltung ist Mauer wichtig, ein Porsche muss nicht dick auftragen: „Die Einfachheit der Form, ihre Klarheit, drückt den Spaß der Emotion und den der Alltagstauglichkeit zugleich aus.“

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Immer eine Frage des Stils

Der Porsche-Stil, wie ihn Mauer im Geheimlabor in Weissach vor den Toren Stuttgarts pflegt, basiert auf einer unumstößlichen Formensprache. Die verrät Mauer durchaus: „Die Kotflügel sind bei einem Porsche höher als die Haube. Das ist bei einem 911 so, der den Motor hinten hat, aber auch bei einem Cayenne. Oder der typische Fugenverlauf und dass ein Porsche keinen klassischen Kühlergrill besitzt.“

Starkes Auto, starke Schultern

Von den Proportionen her ist Mauer auch jemand, der dem Fahrzeugheck gern starke Schultern verleiht.  „Für mein Team und mich gilt es dabei stets, eine Balance zu finden – das in der Vergangenheit so erfolgreich gemachte Design fortzuschreiben und in die Zukunft zu tragen, aber dennoch den Kern nicht zu verlieren. Wir stehen dabei immer am Ufer und fragen uns: Wie weit werfe ich den Stein?“ Die Lösung, um die für ein neues Modell manchmal jahrelang gerungen wird: es gilt, die richtige Distanz für den Wurf zu finden.

Pforzheim, Tokio, Stockholm, Weissach

Seit Ende 2004 leitet Michael Mauer die Designabteilung namens „Style Porsche“. Studiert hatte er von 1982 bis 1986 an der Fachhochschule in Pforzheim, danach führte der Weg zu Mercedes-Benz. Die V-Klasse und der SLK waren seine ersten Projekte, einem Ausflug nach Tokio folgte das Design des Smart. Zur Jahrtausendwende wechselte er zu Saab nach Schweden, übernahm dann auch das Advanced Design von General Motors in Europa – so wie er heute auch bei Volkswagen der übergeordnete Herr über die Gestaltung ist. Motto: „Der Designer muss ein Menschenversteher sein, er ist eine empathische Kompetenz im Unternehmen. Ich mache schließlich Produkte für Menschen.“

Der Designer ist für den Kunden da

Kein Problem hat er damit, seinen persönlichen Geschmack im Beruf zurückzunehmen: „Wir Designer machen Autos für Kunden – und nicht für Designer. Jeder hat seine Vorlieben, aber man muss sich ständig fragen: Ist es für den Kunden das Richtige?“ So entstehen intensive Auseinandersetzungen, und das mag er an seiner Chef-Rolle: „Man darf sich keine Arroganz leisten und behaupten, nur man selbst wisse, was gutes Design ist. Die größte Gefahr sind die Scheuklappen. Dagegen hilft nur eins: aufmachen!“

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So sieht der nächste 911 aus

Die Sorge, dass ihm mal die Ideen ausgehen, hat Michael Mauer ganz eindeutig nicht. Mehr bewegt ihn schon die Suche nach Ausdrücken, die Ausdrücke, die einen Porsche endgültig beschreiben können. Dabei hat er für sich ein wunderbares Wortpaar gefunden: „Gestaltete Präzision“. Und tatsächlich verrät er ganz zum Schluss, wie der nächste Porsche 911 aussehen wird: „Wie ein 911. Auch wenn einige Elemente der Formensprache verändert sein werden, ist er auf den ersten Blick als Elfer zu erkennen. Aber eben als ein neuer Porsche 911.“

Extra

Der Autor hat zusammen mit Michael Mauer im Delius-Klasing-Verlag das Buch „911 Design – Die Design-Bibel zum meistgebauten Sportwagen der Welt“ veröffentlicht.