- 29. April 2025
- Tradition & Innovation
- Christian Steiger
Fünf Oldtimer-Touren für spontane Genießer
Von Südböhmen bis in den hohen Norden.
Die Saison ist eröffnet, der Klassiker läuft nach der Winterpause auf allen Zylindern, sein Chrom blitzt in der Sonne – wer würde jetzt nicht ganz spontan loswollen? Ohne große Vorbereitung, ohne Planen und Buchen. Einfach dahin, wo das Fahren im Old- oder Youngtimer noch Spaß macht, wo die Straßen nicht zu voll sind und es auch in der Saison noch Hotelzimmer gibt, falls die Tagestour zum Wochenend-Trip wird. Wir haben da mal was vorbereitet: fünf flexible Oldtimer-Touren für Genießer. Weil die Freude am Fahren manchmal viel näher liegt als gedacht!
Kleiner Grenzverkehr: Bayerischer Wald und Südböhmen
Wir beginnen tief im Süden, gleich hinter Regensburg, wo in den Siebzigern schon der junge Walter Röhrl durch die Wälder heizte. Wer’s heute gemütlich angehen lässt, hat mehr von seiner Tour durch den Bayerischen Wald mit seinen kurvigen, aber fast immer bestens ausgebauten Nebenstrecken. Richtig spannend wird’s für Nostalgiker ein paar Kilometer weiter, hinter der tschechischen Grenze, wo fast jeder Kleinstadt-Marktplatz nach Freilichtmuseum aussieht. Etwa zwei Stunden dauert es von Passau in die Biermetropole České Budějovice, wo sich neben der unvermeidlichen Brauereiführung ein Abstecher ins Stadtzentrum mit seinen Arkadenhäusern lohnt. Eine halbe Stunde näher an der Grenze liegt Český Krumlov, dessen Altstadt den Vergleich mit Rothenburg ob der Tauber locker besteht, Liebhaber der böhmischen Lebensart nehmen das Gulasch mit Knödeln übrigens in einer der vielen Dorfkneipen unterwegs: dort, wo Hostinec über dem Eingang steht und nicht Restaurace.
Oberschwaben und Oberjoch-Passstraße: Die Welt ist eine Kurve
Am Bodensee ist es natürlich schön, aber oft so übervoll, das Autofahren keinen Spaß mehr macht. Kenner der kontemplativen Fortbewegung biegen deshalb schon in Oberschwaben ab, denn im ländlichen Dreieck zwischen Lech, Schwäbischer Alb und Bodensee ist Platz für alle. Liebhaber der Autogeschichte fangen am besten in Bad Waldsee an, wo das famose Erwin-Hymer-Museum die Geschichte des motorisierten Fernwehs erzählt, oder fahren nach Wolfegg, ins kuschelige Automuseum beim Schloss. Alle anderen richten ihre Kühler nach Wangen aus, wo sich die Altstadt für den ersten Zwischenstopp eignet, machen eine kurze Pause am Rottachsee bei Oy und stürmen dann die Oberjoch-Passstraße, die ihre 106 (oder je nach Quelle 107) Kurven auf etwas mehr als sechs Kilometer Fahrtstrecke verteilt. Wer sich im Panoramablick auf die Allgäuer Alpen versenken will, darf den Aussichtspunkt Kanzel nicht verpassen (ein Café gibt’s da auch).
Pfälzer Wald und Weinstraße: Die Reben der Anderen
Es muss ja nicht die ganze Deutsche Weinstraße sein, die sich von Bockenheim bei Grünstadt bis nach Schweigen an der französischen Grenze spannt: Die Pfalz besteht schließlich nicht nur aus Reben, sondern auch aus beinahe endlosen Wäldern, deren Steigungen und Serpentinen das Herz des Genussfahrers wärmen. Die Großen des internationalen Rallyesports wusste das lange zu schätzen, die Rallye Vorderpfalz war in den Siebzigern für ihre stimmungsvollen Wertungsprüfungen im Modenbachtal und auf der Totenkopf-Passstraße berühmt. Für die ganz große Runde empfiehlt sich ein beliebig langes Stück Weinstraße mit anschließendem Schlenker nach Frankreich, rüber nach Wissembourg und von da aus ins lothringische Bitche, mit Abstecher zur berühmten Zitadelle. Und dann zurück über die Grenze, durchs westpfälzische Pirmasens und tief durch den Pfälzer Wald bis nach Neustadt an der Weinstraße oder Bad Dürkheim.
Brandenburg: So kennt es (fast) keiner
Den Ortsnamen Wittstock/Dosse haben wir fast alle schon mal gelesen – auf den großen blauen Schildern entlang der Autobahn von und nach Berlin. Jetzt ist es Zeit, da mal abzubiegen, denn die vielen Alleen Brandenburgs eignen sich ganz wunderbar für eine Genießer-Tour zum Saisonbeginn. Und auch für ein paar Zwischenhalte sollte Zeit sein, für die historische Innenstadt von Wittstock beispielsweise oder die monumentale Tuchfabrik aus dem Jahr 1905, mit der ein gewisser Emil Quandt den Wohlstand der heutigen Unternehmer-Dynastie begründete. In Mildenberg, einem Ortsteil von Zehdenick, lohnt sich der Stopp am Ziegeleipark, einem Industriemuseum mitten im Grünen. Und danach geht’s durch den Nationalpark Stechlin mit seinen über 180 Seen und Rotbuchenwäldern.
Foto: Ziegeleipark Mildenberg
Holsteinische Schweiz: Kopfkino im Norden
Wälder, Seen und Rapsfelder, soweit das Auge reicht, Alleen und kleine Landstraßen, reetgedeckte Katen und prächtige Schlösser – und das alles ist gerade mal eine Autostunde von Hamburg entfernt: Die Holsteinische Schweiz macht selbst einen mild motorisierten Klassiker zum Alltags-Fluchtwagen. Und wer nicht nur fahren will, sondern auch flanieren und entdecken, findet hier viele reizvolle Haltepunkte. Das Plöner Schloss mit seinem weitläufigen Garten gehört dazu und – quasi nebenan – die Prinzeninsel mit ihrem Sandstrand und dem traditionsreichen Gasthaus. Die ultimative Kulisse für Besitzer deutscher Klassiker aus den Fünfzigern ist das restaurierte Gut Rothensande am Kellersee in Malente, das heute ein Luxusresort ist und natürlich Immenhof heißt – so wie die Nachkriegs-Heimatfilme. Wer es günstiger mag und noch mehr bundesdeutsche Geschichte inhalieren möchte, kann als Gast in der früheren Verbandssportschule übernachten, wo 1974 Franz Beckenbauer die späteren Weltmeister in der Schulküche auf den „Geist von Malente“ einschwor. Passt schon: Das Kopfkino läuft in dieser Gegend immer mit.