Fast wie im richtigen Rennen

GTÜ Classic erinnert an den Renault Alpine A110.

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Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Sie greifen auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. In loser Folge veröffentlicht das Magazin KRAFTHAND exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal geht es um den Renault Alpine A 110, der eigentlich als Wettbewerbsfahrzeug gedacht war und dennoch auf öffentlichen Straßen eine gute Figur machte.

Das französische Rezept für den Sport

Leistung allein macht noch keinen Sportwagen. Jede ungelenke Kiste wird ja heutzutage mit PS gemästet. Richtige Sportwagen sind anders. Puristisch, filigran, wendig, oftmals eigenwillig und im besten Fall von zeitloser Eleganz, die einen auch noch nach über 50 Jahren den Atem anhalten lässt. So wie bei diesem Renault Alpine A110. Die Front in Kombination mit der geduckten Haltung der Alpine sendet deutliche Signale: eine Raubkatze, bereit zum Sprung.

Flunder auf Asphalt

Vom Asphalt bis zur Dachkante misst die flache Flunder gerade mal 1,13 Meter. Ein Maß, das bereits vor der Fahrt eine intensive Auseinandersetzung mit dem Sportwagen erfordert. Zum Beispiel beim Einsteigen. Wer sich mit seinen vier Buchstaben zuerst auf den Sitz zwängt, hat schon verloren. Ratsam ist, dem Sinn der Alpine entsprechend, mit dem Gasfuß voraus das Innere zu erobern, dann den Kopf einzuziehen und zu hoffen, dass man in dieser mehr oder weniger fließenden Bewegung verletzungsfrei bleibt.

Sieg bei der Rallye Monte Carlo

Warum sich die Gymnastik lohnt? „Auf dem Schnee musste man das Auto wirklich um die Ecken werfen, damit es reagiert, aber auf trockenem Asphalt lenkte es sich unglaublich gut. Als Fahrer war die Alpine das beste Auto für mich und es war unglaublich, die Monte darin zu gewinnen.“ Das sagte die schwedische Rallye-Legende Ove Andersson, nachdem er 1971 mit dem Alpine die Rallye Monte Carlo gewonnen hatte. So ein Auto ist der A110, also jede Mühe wert.

So kam Renault zu Alpine

Verantwortlich für dieses Schmuckstück ist Jean Rédélé, Gründer und Eigentümer der Sportwagenschmiede Alpine. Nachdem Rédélé die Renault-Vertretung seines Vaters in Paris übernommen hatte, wollte er mit dem großen Automobilhersteller ins Geschäft kommen. Renault hatte null Interesse. Das änderte sich nach den ersten Erfolgsmeldungen von verschiedenen Rallyestrecken. Renault begann, Alpine im Motorsport zu unterstützen, ab 1965 konnten die Modelle über Renault-Händler erworben werden, der offizielle Name „Renault Alpine“ tauchte erstmals 1967 auf. Erst in den 70er Jahren begann Renault, den kleinen Sportwagenbauer schrittweise zu übernehmen.   

Die Hausfarbe: ein schillerndes Blaumetallic

Rédélé suchte sich seine Verbündeten nicht nur in Frankreich, sondern in der ganzen Welt. In Lizenz wurde der A110 auch in Bulgarien, Mexico und Spanien gebaut. Wie viele Fahrzeuge es zwischen 1961 und 1977 tatsächlich waren, lässt sich nur schwer sagen. Allein in Frankreich sollen es 7.500 gewesen sein. Ihr Markenzeichen: Neben den zwei Siegen bei der Rallye Monte Carlo (1971, 1973) die vollständige Kunststoffkarosserie und die Wagenfarbe Blaumetallic.

Das französische Rezept für den Sport

Dieser Alpine ist ein F.A.S.A A110, also aus spanischer Produktion und 1973 gefertigt. Seine 100 PS zieht er aus einem im Heck sitzenden 1,4 Liter großen Vierzylinder mit 40er Weber-Doppelvergaser. Die Höchstgeschwindigkeit des Leichtgewichts (740 kg) liegt deutlich jenseits der 200 km/h. Motoren für die Alpine gab es im Lauf der Jahre in unterschiedlicher Größe und Stärke, der populärste ist wohl der 1600 S mit 138 PS. Allerdings reicht auch das 100 PS starke Aggregat, um ein echtes Alpine-Feeling zu bekommen. Das liegt nicht nur am kraftvollen Heckantrieb, der sich dank eines Fünf-Gang-Getriebes gut einsetzen lässt. Der Fahrer sitzt extrem tief. Deutlich spürbar, dass der A110 eher als Wettbewerbsfahrzeug denn als komfortabler Reisebegleiter gedacht war. Jede Fahrt ist irgendwie ein Rennen.

Vater und Sohn

So pflegt Renault bis heute den Alpine-Mythos, auch das Formel-1-Team ist so benannt. Rédélé selbst entwickelte noch den kantigen Nachfolger. Beim Renault Alpine A310 wurde mehr Wert auf Komfort gelegt, er kam kaum im Motorsport zum Einsatz und fuhr nie aus dem Schatten seines Vorgängers. Alpine, die Sportwagenmarke von Renault, bietet wohl auch deshalb heute nur ein einziges Modell an: den neuen A110. Seit 2017 wird er in einer sehr gelungen Retro-Optik gebaut. Wer Alt und Jung nebeneinanderstellt, sieht Vater und Sohn. So ähnlich sind sich die beiden. Eigentlich nur konsequent. So ist der A110 heute, was er bereits in den 60er Jahren war: ein moderner Sportwagen.