- 10. Dezember 2021
- Tradition & Innovation
- Ulf Schulz
Ein Kühlschrank auf Rädern: die BMW Isetta
Keine Frage, die BMW Isetta war damals das, was heute als cool gilt. Samt ihrer Herkunft.
Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Dabei greifen sie auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. Weil es viele spannende Aspekte zur Historie der verschiedenen Old- und Youngtimer gibt, veröffentlicht das Magazin KRAFTHAND in loser Folge exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal geht es um die BMW Isetta.
Als Wirtschaftswunder über die Alpen
Geschichten aus der deutschen Wirtschaftswunderzeit zeigen oft die Route über den Brenner, auf der bunte Käfer, Goggomobile oder Maico-Roller munter der Sonne gen Süden entgegenfuhren, meist den Gardasee im Visier. Zur illustren Blechmischung auf den Alpenpässen zählt auch die BMW Isetta. Doch das Motocoupé trat seinen Erfolgsweg genau entgegengesetzt an – von Italien nach München.
Mit Kühlschränken fängt alles an
Renzo Rivolta erwarb 1939 in Bresso nahe Mailand zunächst eine Herstellung für Kühlmittelanlagen namens Isothermos. Als die Geschäfte schleppender liefen, sattelte er auf die Produktion von Rollern und kleinen Motorrädern um. Im Namen an alte Traditionen anknüpfend, wurden sie Isomoto und Isoscooter genannt, verfügten über 125 ccm – ein rollendes Dolce Vita. Den Markt der kleinen Mobilität hatte auch BMW nach dem Zweiten Weltkrieg im Blick, ein Zweirad mit Dach erschien den Münchnern markttauglich. Renzo Rivolta lieferte 1954 mit der Iso Isetta die perfekte Lösung. Sein Motocoupé wirkte wie eine kleine Raumkapsel und ging sogar bei der Mille Miglia an den Start, wo es sofort zum Publikumsliebling wurde. Rivolta und BMW fanden sich zu einer Lizenzvereinbarung zusammen.
Der große Durchbruch der kleinen Isetta
Am 5. März 1955 war es soweit – in München rollte die erste BMW Isetta vom Band. Den Nachnamen durfte sie stolz aus ihrer italienischen Familie fortführen, das zweigetaktete Herz hinter der Sitzbank tauschte sie gegen ein Spenderherz mit vier Takten und 12 PS der BMW R25. Die Stahlblechkarosse wurde auf einen Rohrrahmen gesetzt, die beiden Hinterräder standen so eng beieinander, dass man auf ein Differential verzichten konnte. Die kühlschrankartige Fronttür nahm das Lenkrad auf, das beim Öffnen und Einsteigen wegklappte, und so wog das ganze Gefährt nur 350 kg und beschleunigte auf satte 85 km/h.
Der Trick mit dem Faltdach
Diejenigen, die bisher bei Wind und Wetter den Weg zur Arbeit auf Rollern und Mopeds bestritten, waren begeistert, ein Dach über dem Kopf und beinahe ein richtiges Auto zu haben. Das Faltdach der Isetta war dabei nicht mal ein luftiges Extra für Sonnenliebhaber, sondern Pflichtprogramm, denn der deutsche Gesetzgeber schrieb vor, dass man ein Auto im Fall der Fälle durch zwei Ausstiege verlassen können muss. Da die Isetta ja nur die Fronttür bot, konnte man sie im Ernstfall so auch über das Dach verlassen – nur eben ohne Schleudersitz.
Eine Idee fährt um die Welt
Ende 1956 entwickelte BMW eine durchgehende Dachlinie und verbesserte viele Details, womit sich die Isetta nun immer deutlicher von ihrem Urahn unterschied. Bis zum Mai 1962 baute BMW ziemlich genau 161.728 Exemplare und verhalf der Isetta zu Ruhm und Erfolg. Dass Vélam in Frankreich, Iso España in Spanien, Isetta of Great Britain in England und Indústrias Romi in Brasilien den Lizenzbau ebenfalls umsetzten, ist dagegen eher unbekannt.
Mikro-Autos liegen wieder im Trend
Schließlich wurden die Leute anspruchsvoller, die Beladungsmöglichkeiten waren nicht ausreichend und die Zeit der Mikro-Autos ging langsam zu Ende. Die Kundschaft verlangte nach richtigen Limousinen, das konnte auch die „große Isetta“, der BMW 600 mit zweiter Sitzbank und zusätzlicher seitlicher Tür, nicht mehr aufhalten. Wenn wir heute über neue Mobilität reden, spielen kleine Autos wieder eine größere Rolle. Die Isetta wäre absolut stadttauglich.
Dieser Beitrag ist erstmals im Magazin Krafthand vom 25. Juli 2020 erschienen, den ausführlichen Artikel lesen Sie hier