- 03. Mai 2021
- Tradition & Innovation
- Michael Vogel
Die Last der Doppelprüfungen
Jeder GTÜ-Partner kennt das: Regelmäßig müssen Prüfmittel für die Kfz-Hauptuntersuchung geeicht und kalibriert werden. Dabei ginge es viel einfacher – ohne qualitative Einbußen in Kauf nehmen zu müssen.
Doppelt genäht hält besser, sagt der Volksmund. Leider stimmt das nicht immer. Manchmal ist „doppelt genäht“ auch einmal zu viel. Zu teuer. Zu zeitaufwendig. Womöglich nur doppelt gemoppelt. Prüfingenieuren und Sachverständigen ist das auch nicht fremd. Die Rede ist von gleich zwei Prüfmitteln, die für die Hauptuntersuchung erforderlich sind: Geräte für die Abgasuntersuchung und Manometer für Lkw-Bremsanlagen. Für beide Prüfmittel sind jeweils Eichung und Kalibrierung erforderlich. Bei den AU-Geräten in jährlichem Turnus, bei den Manometern in zweijährlichem. Kein kleiner Aufwand: Für die Eichung kommt jemand von der zuständigen Eichbehörde ins Haus, für die Kalibrierung ein Vertreter der 2017 gegründeten GTÜ Prüfmittelservice GmbH mit einem ihrer zehn mobilen Messlabore. „Den Aufwand für die zwei vorgeschriebenen Termine hat die Werkstätte, dabei ließe sich das gleiche Ergebnis beider Prüfungen mit einer DAkkS Kalibrierung ausreichend bestätigen“, sagt Visar Nikqi, Leiter Prüfmittelservice/Prüflabor bei der GTÜ Prüfmittelservice GmbH. DAkkS, das ist die verantwortliche Deutsche Akkreditierungsstelle.
Worum es geht: Beim Eichen wird geprüft, ob ein AU-Gerät oder Manometer die vorgeschriebenen Fehlergrenzen einhält. Doch das gleiche macht man auch während einer Kalibrierung in mehreren Vorgängen, um zu entscheiden, ob eine Justage erforderlich ist. Nikqi und sein Team haben die erforderliche DAkkS Akkreditierung, um aus zwei Prüfungen eine zu machen, doch die Rechtslage steht ihnen im Weg. Das Hindernis derzeit: „Eichen ist eine hoheitliche Aufgabe, die der GTÜ Prüfmittelservice nicht übernehmen darf“, erklärt Nikqi. Diese Einschränkung sei in diesem Fall schwer nachzuvollziehen, schließlich sei der GTÜ Prüfmittelservice eine akkreditierte Kalibrierstelle. „Unser eigens entwickeltes Kalibrierverfahren ist durch die Deutsche Akkreditierungsstelle auditiert worden.“
Die GTÜ könnte für alle vieles vereinfachen, wenn sie denn dürfte
So ist nicht nur sichergestellt, dass die Mitarbeiter der GTÜ Prüfmittelservice GmbH den Messvorgang im Detail verstehen, sondern dass auch die Messunsicherheiten eindeutig verstanden sind. Bis in den kleinsten Bereich. Das ein- bis zweitägige Audit erfolgt anhand einer realen Messung gegen die DAkkS-Referenz, die wiederum mit dem Normal der Eichämter abgeglichen ist. Außerdem gibt es noch ein rein sachliches Argument: „Die Eichung eines Messgeräts stellt nicht sicher, dass es die Fehlergrenzen bis zu der nächsten Befassung einhält“, sagt Nikqi. Befassung meint: bis zur nächsten Wartung, Reparatur oder Eichung. Doch dieser Irrglaube ist noch weit verbreitet.
„Die Tätigkeit der Eichämter ist wichtig“, sagt Nikqi, um Missverständnissen vorzubeugen. Zwei prominente Beispiele dafür seien die messtechnische Verlässlichkeit von Wasseruhren und von Zapfsäulen. „Aber bei AU-Geräten oder Bremsanlagen-Manometern haben wir in Deutschland ein perfekt funktionierendes, organisationsübergreifendes Qualitätsmanagementsystem, da macht es keinen Sinn, dass Eichen zusätzlich erforderlich bleibt“, sagt der Experte.
Der Gesetzgeber hat in anderen Branchen ähnliche Doppelregelungen bereits beseitigt
Die GTÜ setzt sich deshalb auch politisch für ein Ende der Doppelprüfung ein. „In anderen Branchen, wo ebenfalls ähnliche Doppelregelungen in der Prüfmittelanforderung bestanden haben, hat der Gesetzgeber diese inzwischen beseitigt“, weiß Nikqi. Beispiele dafür sind Aufzugsanlagen oder der Explosionsschutz. Im Herbst 2019 hatte die FDP in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung die „Doppelbelastung durch Eichung und Kalibrierung von Kfz-Prüfmitteln“ aufgegriffen. Auslöser waren damals die neuen AU-Messgeräte zur Partikelzählung, die ab 1. Januar 2021 verpflichtend bei der Abgasuntersuchung sind.
Nikqi vermutet, dass die Doppelprüfungen bei AU-Geräten und Manometern vor allem der Historie geschuldet sind: „Die Zuständigkeit für Eichung und Kalibrierung ist in Deutschland auf zwei Ministerien verteilt. Die Kalibrierung, und damit auch die Deutsche Akkreditierungsstelle, steht unter der Ägide des Bundesverkehrsministeriums, die Eichämter dagegen unterstehen den Landeswirtschaftsministerien.“ Und während das Bundeswirtschaftsministeriums offenbar die Notwendigkeit erkannt habe, Doppelprüfungen im Sicherheitsbereich abzuschaffen, sehe das Bundesverkehrsministerium den Sachverhalt noch anders. „Wir würden es daher begrüßen, wenn die beiden Ministerien über dieses Thema möglichst bald ins Gespräch kämen“, sagt Nikqi.
„Aus zwei mach eins“ wäre in seinen Augen ein Beitrag zum Bürokratieabbau. Doch die GTÜ setzt sich nicht nur auf politischer Ebene für die Interessen der Prüfingenieure und Sachkundigen ein, sondern bietet schon jetzt Hilfestellung mit ganz konkreten Angeboten. So bietet die GTÜ Prüfmittelservice GmbH inzwischen für die Prüfung von Lkw-Bremsanlagen Einfach- und Doppel-Manometer an, die in der Anschaffung um ein Viertel günstiger sind als marktgängige Produkte. „Auch das ist ein wichtiger Schritt für uns“, so Nikqi, „denn unsere Vision ist, in Zukunft eigene Prüfmittellösungen anbieten zu können.“
Vom Eichen und Kalibrieren
Meter und Kilogramm sind heute selbstverständlich. Niemand bezweifelt, dass die 1-Kilo-Packung Mehl im Supermarkt tatsächlich ein Kilogramm wiegt. Und die Meterstäbe im Baumarkt sind alle gleich lang. Das war nicht immer so. Maßeinheiten gibt es zwar schon sehr lange, aber viele Jahrhundert über waren sie keineswegs einheitlich. „Jedes deutsche Ländchen hat sein eigen Quäntchen“, so der Volksmund in früheren Zeiten. Herzog Christoph von Württemberg war der Erste, der dieser zweifelhaften Vielfalt Einhalt gebot. 1557 erließ er eine Verordnung über das Eichwesen: „Ein gemein gleich Landtmeß und Eych“ galt bis 1806. Auch andernorts im späteren Deutschland erkannte man im Lauf der Zeit Handlungsbedarf, so etwa in Preußen. König Friedrich II, der Alte Fritz, erließ 1785 ebenfalls eine entsprechende Verordnung.
Bis zu den heutigen – oft internationalen – Standards dauerte es naturgemäß noch eine ganze Weile. Nicht nur, dass die Maßeinheiten einheitlich und verbindlich festgelegt werden mussten, auch die Überwachung derselben und der erforderlichen Messgeräte wurde immer mehr vereinheitlicht. Eichung und Kalibrierung sind zwei wichtige Schlagworte für diese Form des praktizierten Verbraucherschutzes. Eichen ist eine hoheitliche Aufgabe. Durch sie bescheinigt die zuständige Behörde, dass ein Messgerät den einschlägigen Vorschriften genügt und vor allem die durch die Eichung festgelegten Fehlergrenzen einhält. Bei der Kalibrierung dagegen ermittelt eine dazu ermächtigte Organisation, zum Beispiel die GTÜ Prüfmittelservice GmbH, wie sehr die Messwerte eines Messgeräts von einem Normal – einem Standard – abweichen. Mit diesem Wissen lassen sich dann die Messwerte eines Messgeräts verlässlich korrigieren.