- 02. Juni 2022
- Tradition & Innovation
- Reiner Schloz
Der Geist aus Zuffenhausen
Der 911 Turbo Targa ist ein Porsche, den es praktisch nicht gibt.
Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Sie greifen auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. In loser Folge veröffentlicht das Magazin KRAFTHAND exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal geht es um den Porsche 911 Turbo Targa.
Gespenster entpuppen sich bisweilen als gute Geister. In Hollywood-Schinken zum Beispiel. Auf der Leinwand können Auserwählte die guten Geister nicht nur sehen, sondern auch mit ihnen reden. Nur anfassen geht nicht. Es wird ein Griff ins Leere. Bei diesem Geist hier ist das anders. Reden geht nicht, anfassen schon. Man kann sogar reinsitzen und wegfahren: ein schwarzer Porsche 911 Turbo Targa. Für viele Fans ist er ein Geist, der Porsche, den es nicht gibt. Stimmt natürlich nicht. Aber ganz falsch ist es auch nicht. Zumindest redet Porsche nicht besonders viel über diese Modellvariante, von der zwischen 1987 und 1989 gerade mal 297 Exemplare produziert wurden.
Turbo oder Targa? Warum nicht einfach beides!
Vielleicht will Porsche die Diskussion erst gar nicht aufkommen lassen: Turbo oder Targa? Dabei könnte man ja sagen: Hauptsache Porsche 911. Aber so einfach ist es dann doch nicht. Der Turbo war schließlich ab 1974 die Speerspitze der Leistungsfähigkeit eines Elfers und schon rein optisch ein gewaltiger Muskelprotz. Die Kotflügel vorn zogen sich ziemlich in die Breite, aber vor allem das mächtige Heck zeugte von purer Kraft. Der ausladende Heckspoiler (Spitzname: Serviertablett), zu einem Teil mit der Motorhaube verschmolzen, verstärkte den Eindruck noch und sorgte hinten für den nötigen Abtrieb, um den Turbo in der Spur zu halten und die 260 PS direkt auf die Straße zu bringen. Denn der Turbolader schaltete sich ab 3.000 Umdrehungen ein und sorgte urplötzlich für einen Raketenstart, ohne dass der Pilot das Gaspedal auch nur einen Millimeter bewegte. Das war ungewohnt und nicht ungefährlich. Jeder, der einen Turbo kaufte, bekam von Porsche erst einmal Fahrunterricht verordnet.
Porsches berühmter Bügel
Es gab auch den Targa. Ohne Fahrunterricht, aber mit dem berühmten Targa-Bügel. Dank der markanten B-Säule – erst aus gebürstetem Aluminium, später mattschwarz – konnte man das Kunststoffdach herausnehmen. Ein Sicherheitscabrio und damit ein Signal vor allem an den wichtigen US-amerikanischen Markt, dass man sich auch in einem offenen Porsche sicher fühlen konnte. Turbo und Targa, zwei Fahrzeugkonzepte, die maßgeblich an der Legendenbildung des Elfers beteiligt sind. Klar, dass die große Fangemeinde sich schon immer gewünscht hat, die beiden Dinge miteinander zu verknüpfen. Alle wollten das. Alle – außer Porsche. Die Ingenieure hielten die Targa-Karosserie schlicht für zu weich für die geballte Turbo-Power.
Der Sportwagen mit dem Regenbogen
Aber deshalb sterben Träume nicht. Der Autoveredler Rainer Buchmann nahm sich Mitte der 70er Jahre einen 911 Targa SC vor, verstärkte die Karosserie vom Armaturenbrett bis zu den Schwellern, sorgte für eine echte Turbo-Optik und verbaute im Inneren die gesamte Turbo-Antriebstechnik. Und weil er schon dabei war, verschönerte er das Fahrzeug noch mit einem 50.000 D-Mark teuren Hifi-System und Bordtelefon. Ein 911 Turbo kostete damals rund 66.000 D-Mark, der Turbo Targa war doppelt so teuer. Das Fahrzeug war ein gigantischer Marketinggag. Auf der Photokina 1976 in Köln zierte es den Stand von Polaroid und war auch mit zwei bunten Streifen in deren Hausfarben bemalt. So wurde der Turbo Targa als Regenbogen-Porsche weltweit bekannt. Es gab drei Exemplare.
Die entscheidende Frage: Ist er echt?
Porsche zog erst 1987 mit einer kleinen Auflage nach. Das Fahrzeug kostete 135.000 D-Mark. Das große Schweigen macht den 911 Turbo Targa zu einem echten Geheimnis, das Begehrlichkeiten weckt. Auf dem Classic-Markt ist er tatsächlich der Porsche, den es nicht gibt. Wer doch einmal einen findet, sollte sich vor dem Kauf die Echtheit von Porsche bestätigen lassen. So wie bei diesem Exemplar. Es wurde einst in die USA ausgeliefert, kam bereits ein Jahr später zurück nach Deutschland. Dort wurde der Turbo Targa – zum Beispiel Stoßfänger, Scheinwerfer, Katalysator – wieder auf europäische Verhältnisse zurückgebaut.
Und dann kommt der Raketenstart…
Neben der Volllederausstattung verfügt das pechschwarze Kraftpaket über weiteren Komfortschnickschnack wie elektrisch höhenverstellbare Sitze oder eine Klimaanlage, ein Beleg für seine US-amerikanische Vergangenheit. Der 3,2-Liter Motor leistet 285 PS, die von einem Viergang-Schaltgetriebe dirigiert werden. Von null auf 100 km/h sprintet er in 5,4 Sekunden, seine Höchstgeschwindigkeit erreicht er bei 260 km/h. So bietet er nicht nur einen seltenen Anblick, sondern auch das besondere Fortbewegungsgefühl, das nicht einmal die NASA bieten kann: einen Raketenstart an der frischen Luft.