- 28. Juli 2021
- Tradition & Innovation
- Elmar Brümmer
Das Rennen der Datenmonster
Was die Formel-1-Simulatoren und das von der GTÜ unterstützte SimRacing verbindet.
Was haben Lewis Hamilton, 36, acht Weltmeistertitel in der Formel 1, und Mikka Maximilian Buck, 16, vom Team Eifel Racing gemeinsam? Eins auf jeden Fall: Beide verbringen eine ganze Menge Zeit mit Rennsimulationen. Hamilton, um sich einen Vorteil im Duell mit Max Verstappen zu verschaffen, Buck, um sein von der GTÜ unterstütztes Team im SimRacing nach vorn zu bringen. Ein paar Unterschiede gibt es zwischen den beiden dann aber schon: Während Lewis Hamilton einer der höchstbezahlten Athleten der Welt ist, frönt Buck seinem Hobby nach der Schule. Und während der Brite kein ausgesprochener Freund der Simulatorarbeit ist, kann sich der Deutsche kaum etwas Schöneres vorstellen. Was den Profi-Piloten und den Schüler wiederum eint, ist die hohe Qualität, die Rennsimulationen heute besitzen. Dank Lasertechnik und akkurater Datenverarbeitung kann jede noch so kleine Bodenwelle, jeder Randstein, jede Kurvenneigung einer Rennstrecke auf den Bildschirm gebracht werden.
Wer will schon schwankende Wohnzimmer?
Natürlich sind die Simulatoren in der Formel 1 so etwas wie die Champions League, sie funktionieren ähnlich wie die sich bewegenden Plattformen für Flugzeuge. So erlebt der Fahrer tatsächlich jede Lenkbewegung mit dem ganzen Körper mit, das kann ein Set-up für den Hausgebrauch natürlich nicht. Da kann selbst die Profiausstattung mit hydraulischen Pedalen, die Shootingstar Lando Norris zu Hause installiert hat, nicht mithalten. Wer will schon ein schwankendes Wohnzimmer? Der Brite ist ähnlich wie Max Verstappen aber einer jener Formel-1-Piloten, die auch in SimRacing-Serien mitfahren – und so ihre Popularität in beiden Welten steigern.
Ferrari setzt sich an die Spitze der Entwicklung
Die SimRacer sind allerdings schneller und überall einsatzfähig. Denn der neue Simulator, den Ferrari gerade am Firmensitz in Maranello hat einbauen lassen, hat eine zweijährige Entwicklungszeit hinter sich. Bis er tatsächlich einsatzbereit ist, vergehen wohl noch etliche weitere Wochen. Erst muss das virtuelle Auto exakt auf den echten roten Rennwagen abgestimmt sein. Es wäre auch fatal, wenn Charles Leclerc und Carlos Sainz jr. sich nach getanem Simulator-Job bestens gerüstet für das nächste Rennen fühlten, ihr Dienstwagen dann aber komplett neben der Spur wäre. Simulatoren in der Königsklasse sollen die Sicherheit geben, dass in der Vorbereitung für einen Grand Prix alles richtig gemacht wurde. Was es so lebensecht macht: Simulatoren sind Hightech-Monster, die sich von Unmengen an Daten ernähren.
Der Weltmeister, dem schlecht geworden ist
Das ist der eigentliche Unterschied zwischen SimRacing und Formel-1-Simulator: Die Rennställe nutzen die Hightech-Anlagen nicht als Spielzeug, sondern probieren dort unter echten Verhältnissen neue Fahrzeugabstimmungen, Flügelkonfigurationen, den Einfluss weiterentwickelter Teile am Auto. Das spart eine Menge Material, Geld und Pleiten, ist aber ein Fulltime-Job. Klar, dass ein Lewis Hamilton dafür zu wenig Zeit (und wohl auch zu wenig Lust) hat. Deshalb beschäftigt jeder Rennstall erfahrene Simulator-Piloten. Entweder versierte Männer wie beispielsweise den Polen Robert Kubica oder Nachwuchskräfte wie Mick Schumacher, der mit jedem simulierten Kilometer auch noch selbst dazulernt. Für seinen Vater Michael übrigens, den siebenfachen Weltmeister, war die Simulatorarbeit schlimmer als Achterbahnfahren – ihm ist dabei regelmäßig schlecht dabei geworden.
Am Ende kommt es auf den Menschen an
Das Championteam von Mercedes nutzt seinen „Driver-in-Loop“-Simulator auch als virtuelle Teststrecke, um alle möglichen Rennstrategien durchzuspielen. Die Ingenieure können Tausende von Computersimulationen beschleunigen und sie parallel nebeneinander ablaufen lassen – auf diese Weise können in kurzer Zeit enorme Mengen an Informationen gesammelt werden. Mit dem Resultat, dass das virtuelle Werkzeug immer dichter an die Wirklichkeit herankommt. Die Entscheidungen aber trifft am Ende immer noch der Mensch. Den Ingenieuren obliegt die Verantwortung, die 3D-Ergebnisse zu interpretieren, mit der Realität zu kombinieren und dann die entsprechenden Schlüsse daraus zu ziehen. Alles eine Frage des richtigen Reaktionsvermögens.
Virtuelle Rennen in 360 Grad
Durch die Beschränkung auf immer weniger Testtage ist diese Art der Probefahrten zu einem entscheidenden und unverzichtbaren Hilfsmittel im modernen Motorsport geworden. Bis so eine Anlage steht, werden schnell zweistellige Millionenbeträge fällig. Der genaue Preis des Ferrari-Simulators ist unbekannt, wie überhaupt alles, was den Simulatorbereich betrifft, streng geheim ist. Dass der GTÜ-Blog zeigen kann, wie es dort aussieht, ist dem jungen britischen Spezialunternehmen Dynisma zu verdanken. Auf dem Bild bekommt der Laie zumindest eine Idee von der Anmutung der simulierten 360-Grad-Umgebung, in der die Top-Rennfahrer ihre Trockenübungen unternehmen. Die auf einem völlig neuen Konzept basierende Anlage besitzt die höchste Bandbreite aller auf dem Markt erhältlichen Bewegungssimulatoren.
Sicherheit und Autoindustrie profitieren auch
Auf die Ausbildung von Rennfahrern und die Ausprägung von Rennwagen allein bleibt diese Technik nicht beschränkt. Mehr und mehr Automobilhersteller und -zulieferer nutzen in der Entwicklung ebenfalls Fahrsimulatoren. Revolutionäre Teile und Konzepte müssen sich zuerst ausgiebig in einer virtuellen Umgebung bewähren. Auch der Fahrkomfort und das Handling von Automobilen oder Reifen wird nicht mehr nur auf echten Straßen getestet. Komplexe und extreme Fahrdynamikerprobungen und umfangreiche Systemtests für das autonome Fahren lassen sich im Simulator in völliger Sicherheit durchführen. So lassen sich jedes Jahr Milliarden sparen – an Investitionen wie an Emissionen. Das Prinzip gleicht dem in der Formel 1: Es erhöht die Leistung, spart Zeit und Geld.