Das Museum des vergessenen Autozubehörs

Noch seltener als der Wirbulator ist heute der gut erhaltene Originalkarton aus den Fünfzigern.
Foto: Wim Woeber/Büro für gute Worte

Willkommen in der wunderbaren Welt der kleinen und großen Dinge, die das Auto ein bisschen schöner und besser machen: Wir wühlen im großen Regal der Zubehörgeschichte und zeigen die vergessenen Extras von gestern. Zum Auftakt gibt’s ein Wiedersehen mit dem Wirbulator, dem patentierten Schmutz- und Insektenschutz der Wirtschaftswunder-Ära.

„Millionen von Autofahrern ärgern sich über Tausende von Insekten, die bei rascher Fahrt gegen die Frontscheibe prallen und sie ausgiebig verschmutzen.“ So steht es im Fachblatt „Das Auto – Motor und Sport“, Ausgabe 17/52, und macht die Jüngeren unter uns vermutlich etwas ratlos. Ja, warum betätigen die Herrenfahrer der frühen Adenauer-Ära nicht einfach ihre Scheibenwasch-Anlagen, um die sommerliche Schmiere vom Glas zu wischen?

Noch seltener als der Wirbulator ist heute der gut erhaltene Originalkarton aus den Fünfzigern.
Foto: Wim Woeber/Büro für gute Worte

Der Blindflug gehört zum Auto-Alltag

Die Antwort ist so einfach wie erstaunlich: Die meisten Autos der frühen Fünfziger haben keine Waschanlage. Der Käfer bekommt sie erst im August 1960, doch auch dann nützt sie nicht allzu viel, weil der Scheibenwischer des Volkswagen noch sieben Jahre lang mit einer einzigen Stufe auskommen muss. So kommt es, dass die Kinder des Wirtschaftswunders an heißen Sommertagen im Blindflug durchs Land brettern. Sie können ihre Windschutzscheiben gar nicht so häufig putzen, wie sie wieder schmutzig werden. Deshalb klemmen sich die tapferen Motoristen ein schaufelartiges Plexiglas-Gebilde auf die vordere Haube – und glauben anschließend fest daran, dass es wenigstens einen Teil des Drecks und der Insekten von der Scheibe fernhält.

Schutz und Schmuck für nur fünf Mark

Wirbulator heißt das patentierte Wunderding, das sich damals für fünf D-Mark an jeder Tankstelle kaufen lässt. „Bitte versäumen sie nicht, sich diese bedeutende Neuerung, die nach aerodynamischen Gesetzen im Windkanal entwickelt wurde, vorführen zu lassen“, wirbt die Herstellerfirma Radtke & Wahl in Hannover damals. Denn: „Der Wirbulator schützt und schmückt Ihren Wagen.“

In Amerika gibt es die Schmutzabweiser in vielen Formen und Farben – und auch in einer Version zum Umklappen.
Foto: eBay USA

Herr Obermedizinalrat hat eine Idee

Als Erfinder lässt sich kein Strömungsforscher feiern, sondern Dr. med. et phil. Fritz Trendtel, ein Obermedizinalrat, der sich neben seinem Hauptberuf im Gesundheitsamt von Hannover mit Fachveröffentlichungen wie „Hygiene des Sexuallebens“ befasst. Auf die Idee, sich auch noch um die Sauberkeit von Autoscheiben verdient zu machen, bringt ihn nach eigenen Angaben eine Amerika-Reise. Auf der Fahrt von New York nach San Francisco staunt der Mediziner nicht schlecht darüber, dass die Kühlerfigur seines US-Autos die Insekten von der Scheibe fernhält. Es könnte aber auch sein, dass der Herr Doktor auf seiner Reise die vielen Plexiglas-Abweiser entdeckt hat, die sich auf dem US-Markt verbreitet haben. Als Bug Deflector oder Bugflector gibt es sie in allen Farben und Formen zu kaufen, sogar verchromt, mit integriertem Propeller oder Thermometer, in Form eines Düsenflugzeugs, eines Vogels oder eines nackten Frauenkörpers.

Splittern verboten: Fußgängerschutz geht vor

So weit gehen die deutschen Produzenten nicht. Sie haben auch nicht viel Zeit, denn in seiner ursprünglichen Form gibt es den Wirbulator wahrscheinlich nur bis 1958.  Eine große Story in der Illustrierten „Stern“ prangert damals die Verletzungsgefahr von Fußgängern durch scharfe und spitze Anbauteile von Autos an. Gemeint sind vor allem spitze Kühlerfiguren und buchstäblich schnittige Radkappen mit Zentralverschluss, doch als das Bundesverkehrsministerum eine Richtlinie zur Entfernung gefährdender Teile erlässt, gehört auch der Wirbulator dazu. Seine Halterung muss künftig nachgiebig sein, zudem darf das Kunstoffteil weder Splitter noch scharfe Kanten bilden, wenn es kracht.

Manche Autofahrer haben in den Fünfzigern einen Vogel – als Schmutzabweiser auf der Haube.
Foto: aircooledaccessories.com

Sammlerstück für die Vitrine

Zum Ende des Wirbulators tragen auch die großen Zubehör-Hersteller wie VDO oder Lucas bei, die immer mehr Scheibenwaschanlagen zum Nachrüsten anbieten. Schon für 25 bis 30 Mark lassen sie sich um 1960 in Gebrauchtwagen einbauen. Auch diese charmanten Vorrichtungen mit Fußpumpe und Gummi-Wassersäckchen im Motorraum sind inzwischen gesuchte Zubehör-Gadgets. Aber keine, die Sammler heute in ihre Vitrinen stellen wie die Original-Wirbulatoren im roten Pappkarton der Fünfziger.

Der körperbetonte Queen Bug Deflector ist ein skurriles Zeitdokument aus dem Amerika der 1950er-Jahre.
Foto: eBay USA