Wir fahren hier nicht Boxauto!

Kindergeburtstag einmal anders – auf der Kartbahn

Ein typisches Bild für eine Kartbahn? Mit Muffins, Laugenstangen und Bonbons auf bunten Papptellern ist der Tisch gedeckt, Luftschlangen gehören zur Dekoration. Fünf Buben greifen zu, während sie wild durcheinanderreden. Bis zur Siegerehrung. Einer nach dem anderen erhebt sich und bekommt von Rennleiter Christian eine Medaille umgehängt. Stets begleitet von Kommentaren wie „sehr gut gefahren“, „Superzeiten“, „kommt gerne mal wieder“. Der Applaus von den Kumpels trägt bei zu Stolz und Zufriedenheut, gut erkennbar in den vor Aufregung noch leicht geröteten Gesichtern. Ort: Die Indooranlage „Kart & Fun“ in Neckartenzlingen im Landkreis Esslingen. Anlass: Der neunte Geburtstag von Oscar. Teilnehmer: das Geburtstagskind und vier Freunde aus seiner Tübinger Schulklasse.

Zwei Mal zehn Minuten und insgesamt zwischen 27 und 33 Runden haben die wilden Kerle zurückgelegt. Jeder der kleinen Rennfahrer erhält ein Protokoll mit Strecke und Rundenzeiten. „Ich bin eine 31,77-Sekunden-Runde gefahren!“ Oscar strahlt, er ist der Schnellste.

Der etwas andere Kindergeburtstag

Topfschlagen, Flaschendrehen oder Blinde Kuh gehören zum Programm vieler Kindergeburtstage. Und die Kartbahn? Die füllt die für Eltern so anstrengenden Nachmittage gar nicht so selten. „Zwei Geburtstage haben wir pro Nachmittag, wir sind gut gebucht“, sagt Ellaa. Sie kontrolliert erst die Haftungserklärungen, die alle Eltern unterschrieben haben. Dann schaut sie den Buben tief in die Augen: „Wenn ihr Euch nicht an die Regeln haltet, fährt hier keiner von Euch!“ Das senkt den Geräuschpegel, bevor es losgeht. Cola oder Energydrinks gibt es auch nicht, wegen des Koffeins. „Spezi ist ok“, sagt Ellaa und nimmt Bestellungen entgegen.

Kleine Flaggenkunde

Erst die Sturmhaube für jeden, dann der Vollvisierhelm aus dem Regal – Sicherheit ist essenziell. An der Strecke erklärt Rennleiter Christian die Regeln: Rote Flagge – das Rennen ist abgebrochen. Gelbe Flagge – nicht überholen, bereithalten zum Bremsen. Blaue Flagge – Karts folgen und wollen überholen. Karierte Flagge – Zieldurchfahrt und Rennende. Klare Ansage: „Wenn sich einer nicht an die Regeln hält, ziehe ich ihn heraus und erkläre alles nochmal. Das tue ich ganz langsam. Die anderen fahren so lange weiter.“ Eines noch: „Berührungen kommen vor, aber wir fahren hier nicht Boxauto. Alles klar?“ Alle nicken. Nebenbei sagt Christian: „Neunjährige machen gut mit, 14jährige wollen sich oft gar nichts sagen lassen.“ Und Erwachsene? „Ganz schlimm, die halten sich mitunter an gar keine Regeln.“

6,5 PS und 315 Meter Strecke

Die auf Kinder zugeschnitten Karts haben 6,5 PS und neben dem verrückbaren Sitz auch eine Pedal- und Lenkradverstellung. Damit lässt sich der Minirenner individuell auf jede Körpergröße ab 1,25 Meter einstellen. Und natürlich haben sie einen Sicherheitsgurt. Zum Vergleich: Die Karts der großen Leute bieten 9 PS. Das geringere Körpergewicht der Kinder gleicht das Leistungsmanko aus. Rundenzeiten von ungefähr einer halben Minute für die 315 Meter lange Piste erreichen flotte Junioren und durchschnittlich begabte Erwachsene. Gefahren wird hier seit 1995. Le-Mans-Feeling in Neckartenzligen: Die Porsche-Rennabteilung hat hier im Rahmen eines Betriebsausflugs sogar schon Vier-Stunden-Rennen durchgeführt. Mit häufigem Fahrerwechsel, versteht sich.

Spät bremsen, früh Gas geben

Spät bremsen, früh Gas geben und nicht aus der Kurve fliegen: Dem Motto nähern sich die Kids von der sicheren Seite. Zwei des Quintetts haben Kart-Erfahrung, drei nicht. Das Zusammenspiel klappt erstaunlich gut. Kleine Rempeleien bleiben freilich nicht aus, vor allem wenn die Schnelleren sich ans Überrunden machen. Aber ohne Rücksicht geht es eben nicht im Straßenverkehr. Beschwerden? Null. Ein Dreher in einer Haarnadelkurve löst gelbes Rundumlicht aus. Die Bedeutung: Hindernis, nicht überholen. Alle anderen fahren sofort langsamer. Christian muss keinen herauswinken zum ernsthaften Gespräch in der Boxengasse. Der nicht sehr griffige Untergrund bringt die Karts bei flottem Tempo heftig ins Rutschen. Erstaunlich, wie die Buben mit passenden Reflexen durch beherztes Gegenlenken ihre Apparate im Griff haben. Bei freier Bahn sinken die Rundenzeiten aller Kids deutlich.

Ein gutes Training für den Führerschein? Eine frühe Gewöhnung ans Miteinander im Straßenverkehr steht gewiss nicht im Vordergrund bei diesem Spaßaktionen. Doch Nebeneffekte sind willkommen: Das Fahrgefühl steigt ebenso wie Achtsamkeit für den Verkehr rundum. Die Angst vor einer leichten Rutschpartie sinkt dagegen. Klare Sache: Man kann nie früh genug beginnen mit einer Sicherheitssensibilisierung.

Ein kurzer Stopp nach zehn Minuten. Christian fragt: „Wollt ihr eine Pause?“ Fünf Helme drehen sich kräftig hin und her. Weiter geht’s mit unvermindertem Engagement. Vielleicht steht einem der Rennjunioren eine große Karriere bevor, und eines Tages prangt das Logo der GTÜ als Sponsor auf dem Overall.

Zurück am Geburtstagstisch

Ohne Helm und Sturmhaube erzählen die fünf kleinen Helden von den schnellen 20 Minuten am Steuer. Alle reden gleichzeitig. Herauszuhören ist ein Fazit: „Nächstes Jahr unbedingt wieder.“ Nur einer der Buben meint zaghaft: „Na ja, eine Pause wäre vielleicht nicht schlecht gewesen.“ Stimmt schon, auch das ist eine Sicherheitslehre, Speed und Konzentration strengen an. Beim Flaschendrehen später zuhause bei Oscar geht es etwas ruhiger zu.