- 06. September 2022
- Sicherheit & Praxis
- Elmar Brümmer
Wie kommen die E-Scooter in den See?
Wenn die Mikromobilität maximal ärgerlich wird.
So richtig Ernst genommen hat Lassie, das Bonanzarad der Blogredaktion, die neue Konkurrenz im Nahverkehr zunächst nicht. Tretroller, was für ein Kinderkram. Aber aus Kindern werden irgendwann Leute, und aus Tretrollern werden E-Scooter. Für die einen, die weder gern treten noch gern laufen, ein Segen. Für die anderen, die ständig den batteriegetriebenen Trittbrettern auf dem Bürgersteig ausweichen müssen, ein Fluch. Die neue Mobilität hat natürlich das Recht aller Pioniertaten, erst nach einer gewissen Anlaufzeit ihren richtigen Platz auf der Welt zu finden.
Der Scooter als Wegwerfartikel
Für E-Scooter ist zumindest klar, wo sie nicht hingehören. Mitten in Stuttgart beispielsweise schlummern auf dem Grund des Feuersees, der vom beschaulichen Tümpel mit Fontäne zum nächtlichen Party-Treffpunkt wurde, etliche der Flitzer. Ganz sicher nicht versehentlich dort geparkt, auch nicht im Winter auf der Eisfläche eingebrochen. Sondern schlicht als Wegwerfartikel missbraucht. Ein Partyspaß ist das nicht, auch keine logische Fortführung eines Wochenendes, das für manche mit „Fridays for Future“ beginnt. Natur und Gewässer können nicht streiken, sie müssen stumm die Batterien schlucken. Selbst gemietete E-Bikes werden gern versenkt. Ob die Fahrer das auch mit ihrem Eigentum machen würden?
Die Zeche zahlen alle
Mit der in den USA praktizierten nachhaltigen Idee, alte Waggons der New Yorker U-Bahn vor der Atlantikküste dem Ozean zu übergeben, damit sich in den rostigen Metallgerippen Fische tummeln können und wieder echtes Riffleben entsteht, hat das auch nichts zu tun. In Stuttgart leben vorzugsweise Schildkröten und Schwäne am und im See, und die haben ein eigenes Holzhäuschen. Was mit den E-Scootern getrieben wird, ist schlichtweg Ausdruck einer gedankenlosen, höchst ärgerlichen und ziemlich unsozialen Wegwerfmentalität. Der See muss demnächst abgelassen werden. Die Zeche für die Dummheit einzelner zahlen einmal mehr alle.
Batterie leer, Kopf entleert
Wer abends oder morgens durch Großstädte flaniert, muss oft einen echten Slalom über quer oder längs auf den Gehwegen geparkten Rollern bewältigen. Eine Falle für alle, die schlecht sehen oder körperlich eingeschränkt sind. Viele Nutzer machen sich nicht mal die Mühe, den integrierten Ständer zu benutzen, sie werfen die Mietgefährten einfach hin. Gern auch ins Gebüsch. Batterie leer, Kopf entleert. (Oder umgekehrt.) Es ist die jüngste mobile Steigerung einer immer rücksichtsloseren Wegwerfgesellschaft, die im Kleinen mit der achtlos aus dem Autofenster geschnippten brennenden Zigarettenkippe beginnt.
Strenger bei Kühlschränken
In Köln liegen angeblich 500 E-Roller im Rhein, laut WDR wollen sich nicht alle Vermieter darum kümmern, dass der Elektroschrott geborgen wird, obwohl die Akkus im Wasser undicht werden können. Offenbar arbeiten mittlerweile mehrere Städte daran, die Umweltverschmutzung mit Strafen zu belegen. Argument: wer seinen alten Kühlschrank einfach im Wald entsorgt, wird auch angezeigt. Der Deutsche Städtetag will die Unternehmen in Pflicht nehmen, für die Bergung und Entsorgung geradezustehen. Der Anbieter Bolt bedient sich der künstlichen Intelligenz, um seine Kunden zur Vernunft zu zwingen. Nach dem Abstellen muss ein Bild vom E-Scooter und dem Parkplatz gemacht werden, der Algorithmus gibt dann grünes oder rotes Licht. Auch viele Städte bedienen sich der Software, um der Flut von Fahrzeugen und der Klagen darüber Herr zu werden.
Gute Absichten allein reichen nicht
So wird die Mikromobilität zum maximalen Ärgernis. Umweltbewusstsein im Verkehr hat weniger mit der gewählten Antriebsart, dafür mehr mit dem eigenen Verhalten zu tun. Schließlich werben die meisten Anbieter damit, den Verkehr nachhaltig und lebenswert zu machen. Für Lassie ist es eine Selbstverständlichkeit: So wie Technik immer Sicherheit braucht, gehört zum Verkehr stets Verantwortung. Für sich selbst und für andere.