Vom Lenken und Ablenken

Wer sich nicht konzentriert, der riskiert. Vor allem Unfälle.

So fällt es einem garantiert schwer, geradeaus zu gucken

Wer diesen Text im fahrenden Auto liest, der macht ganz grundsätzlich etwas falsch. Er gefährdet nicht nur sein Lesevergnügen, sondern auch sich und andere. Aber geht ganz schnell, so einen Satz zu lesen, der selbst auf dem Display des Smartphones gar nicht viel Raum einnimmt… Richtig. Und trotzdem schon wieder etwas falsch gemacht. Na gut, es lässt sich aber auch prima auf dem Bildschirm im Auto lesen, mit automatischer Schriftgrößeneinstellung. Stimmt wohl – aber nur, wenn der Wagen steht. Deshalb: Bremst euch, Ihr Leser und Nebenher-Autofahrer. Beides zusammen geht echt nicht. Selbst dann nicht, wenn einem die kluge Autoelektronik viele Multitasking-Aufgaben abnimmt. Konzentrieren muss sich der Mensch immer noch selbst. Denn die Reaktionszeit begibt sich ja schon beim einfachen Telefonieren auf das Niveau eines Fahrers unter Alkoholeinfluss. 2021 waren jeder vierte Unfall und fünf Prozent aller Unfalltoten auf Ablenkung zurückzuführen, die Dunkelziffer dürfte um ein Mehrfaches höher liegen.

Multimedia als ewige Versuchung

Klar, die Versuchung fährt immer mit. Bloß schnell eine Mail checken, an der Ampel das Minuten-Glück bei Tiktok erleben, oder ein Emoji versenden. In den allermeisten Fällen passiert ja gar nichts, aber das ist eine trügerische, selbst gefärbte Statistik. Das Unfallrisiko durch zunehmende Ablenkung hinterm Steuer ist in den vergangenen sieben Jahren um 50 Prozent gestiegen. Auch Navigationsgeräte tragen zu diesem Multimedia-Crash bei. Jeder Blick, der länger als zwei Sekunden vom Verkehrsgeschehen abschweift, erhöht das Unfallrisiko. Und was sind schon zwei Sekunden… So kommt es, dass die Ablenkung zur am meisten unterschätzten Unfallursache auf unseren Straßen geworden ist. Alles, was mit Kommunikation und Bedienungselementen zu tun hat, ist laut Versicherungserhebungen in der Regel ein doppelt so hoher Faktor als die „weichen“ Ablenkungen, die Essen und Trinken, Kinder oder Körperpflege heißen.

Das Display spannender als der Verkehr

Was so ein moderner Bordcomputer alles kann! Auf dem Display tut sich mehr als in so manchem Action-Streifen bei Netflix. Alles selbst steuerbar – hier ein Dreh, da ein Touch, dort ein Regler. Autofahrer sind längst die Regisseure des eigenen Unterhaltungsprogramms. Tacho und Drehzahlmesser, früher mal die einzig notwendigen Instrumente für eine gelungene Fahrt, gehen in der Flut der Anzeigen und Möglichkeiten manchmal regelrecht unter. Selbst das geübte Auge muss sich in der visuellen Ablenkung immer wieder neu zurechtfinden. Schon wird an Sicherheitssystemen wie dem Driver-Monitoring getüftelt, das die Augen des Fahrers beobachtet, und Warnsignale gibt, wenn der Blick zu lange nicht dem Verkehr gilt.

Ablenkung ist nur was fürs Autonome Fahren

Die Verführungen werden immer größer, mit den neuen Raumverhältnissen durch die Elektromobilität verändern sich herkömmliche Pkw zu Multimedia-Mobilen. Das, was beim autonomen Fahren gut ist gegen die Langeweile, wird im noch selbstbestimmten Verkehr zur Gefahr für sich und andere. Das moderne Autocockpit mit all seinen Möglichkeiten, viele auch eher für Beifahrer gedacht, verhindert oft den Durchblick. Und wir stehen jetzt erst am Anfang. Wer bei der Bedienung des Navigations-Systems schon Schwierigkeiten mit der Konzentration hat, der dürfte komplett überfordert sein, wenn erst die Gaming Konzepte im Fahrzeug kommen, an denen viele Hersteller tüfteln.

Den Selbstversuch wagen

Auf Einsicht oder Verständnis bei den Erwischten ist kaum zu hoffen. Die Beschäftigung gerade mit dem Mobiltelefon macht ja vor keinem Lebensbereich Halt. Manches Essen scheint im Restaurant nur bestellt zu werden, um es auf Instagram zu posten. Wer jetzt behauptet, er sei völlig gegen jegliche Ablenkung gefeit, der wage den Selbstversuch und lege sein Telefon ins Auto, Display nach oben, aber nicht direkt ins Blickfeld. Vor der Abfahrt auf die Uhr gucken, und dann gedanklich mitstoppen, wie lange es dauert, zum ersten Mal danach zu greifen, natürlich nur „ganz kurz“. Ganz ehrlich: Das schaffen nur wenige. Aber allen sei gesagt: Aufmerksamkeit ist tatsächlich durch nichts zu ersetzen.

Karaoke ist nur was fürs Autonome Fahren

Die Verführungen werden immer größer, mit den neuen Raumverhältnissen durch die Elektromobilität verändern sich herkömmliche Pkw zu Multimedia-Mobilen. Das, was beim autonomen Fahren gut ist gegen die Langeweile, wird im noch selbstbestimmten Verkehr zur Gefahr für sich und andere. Das moderne Autocockpit mit all seinen Möglichkeiten, viele auch eher für Beifahrer gedacht, verhindert oft den Durchblick. Und wir stehen jetzt erst am Anfang. Wer bei der Bedienung des Navigationssystems schon Schwierigkeiten mit der Konzentration hat, der dürfte komplett überfordert sein, wenn erst die Gamingkonzepte im Fahrzeug kommen, an denen viele Hersteller tüfteln. Volkswagen hat im ID.7 für China Mikrofone und eine Karaoke-App einbauen lassen, in jedem Touchscreen gibt es einen eigenen Avatar.