Vanlife unter dem Vulkan

Wer in acht Wochen einen Kastenwagen selbst zum Campervan umbaut, muss sich vor der ersten Reise nach Neapel von der GTÜ die Frage gefallen lassen: Noch ganz dicht?

Schlüssel und Papiere bitte: der erste Schritt zum Roadtrip führt über die GTÜ (Fotos: Stephan Zirwes)

Wir werden Camper! Das ist das Versprechen, das sich Smiljka Fan und Dario Marcello gegeben haben – und damit es kein Zurück gibt, gleich vor der Kamera des WDR. Der fand die Idee des Pärchens aus Halle in Westfalen so spannend, dass ein Team die Verwandlung eines Kastenwagens mit 220.000 Kilometer Laufleistung in einen schicken Van für einen 4.000-Kilometer-Trip mit einem Fernsehteam begleitet hat. Die beiden haben sich damit nicht nur selbst ein Geschenk gemacht, sondern sich auch richtig unter Druck gesetzt. Die erste Reise ist eine unaufschiebbare: Zum 90. Geburtstag von Darios Großmutter soll es nach Neapel gehen.

Der Erfahrungsschatz der stolzen Besitzer eines als Werkstattwagen genutzten Peugeot Boxer für 4.400 Euro: Darios Eltern sind mal mit dem Auto bis nach Indien gefahren. Ihr größtes Eigenkapital: ein ungeheurer Enthusiasmus und die Liebe zum Detail. Von den ersten O-Tönen darf man sich nicht beunruhigen lassen. Sie sagt: „Ich glaube nicht, dass wir das schaffen.“ Er klagt: „Irgendwas mache ich doch hier falsch.“ Immerhin hat der gebrauchte Van gleich einen Namen, alte Camper-Tradition: Charlie!

Frei sein, frei reisen, das ist der Traum. Wer möchte ihn nicht mitträumen? Blasenbildung beim Bodenbelag, verschobene Bohrlöcher, ein drei Zentimeter zu kurzes Bett die Realität. Doch die Mischung aus Perfektion und Improvisation und die drohende Deadline – wer will la nonna schon warten lassen – treiben den Mediaberater und die Friseurin zu immer neuen Überstunden und Nachtschichten. Und natürlich „der Stolz, ein Zuhause selbst zu bauen.“ Die Umstellung im Kopf inklusive, von 120 Quadratmetern auf zwei Ebenen geht es auf sechseinhalb Quadratmeter Wohnfläche im Laderaum.

Die Entstehungsgeschichte des Do-it-yourself-Camper-Vans umfasst lustige Schicksalsmomente – als das Solarpanel auf dem Dach montiert wird, fängt es an zu regnen. Was nicht passt, wird passend gemacht. „Wir lieben die Idee, und wir lieben es sie auszuleben“, sagen die 29-Jährige und ihr sechs ­­­­­­­Jahre älterer Partner schon beim Umbau. Mit einer Erkenntnis: „Auf Youtube sieht alles immer so einfach aus …“ Etwas mehr als 5.000 Euro hatten sie sich als Budgetgrenze für die Verwandlung des Werkstatt-Bullis in ihr rollendes Zuhause gesetzt, auch das haben sie eingehalten.

Ohne Worte: Geschafft!

Nur einmal schlafen sie unruhig, vier Tage, bevor es losgehen soll: Charlie muss zur Prüfung. Die Gasanlage, für die ein eigener Kasten gebaut und der Unterboden durchbohrt werden musste, ist existenziell für die Camper. Deshalb muss die Sicherheit absolut gewährleistet sein. Null Toleranz, das ist auch den künftigen Van-Reisenden klar. Sie hatten sich zuvor schon genau (bei den Prüfexperten der GTÜ) erkundigt, wo die Gasflasche stehen darf, wieviel Raum es braucht, wo Filter eingebaut werden müssen. Aber trotzdem bleibt ein bisschen Zweckpessimismus: „Wir bleiben skeptisch, aber wir hoffen.“

Die Stunde der Wahrheit naht. GTÜ-Prüfingenieur Sven Gesell lässt sich den Van in der SaVa Kraftfahrzeugwerkstatt in Beckum vorführen. Das bange erwartete Urteil nach der ausführlichen Prüfung auf der Hebebühne und im Innenraum: „Alles fest, sieht gut aus!“ Auch die Einbauschränke prüft er mit geschultem Auge und zupackendem Griff auf Festigkeit, nirgendwo dürfen scharfe Kanten sein. Ganz ist die Aufregung aber noch nicht vorbei. Charlie muss jetzt auf die Waage. 1.800 Kilogramm hat der Peugeot vor dem Umbau gewogen, maximal 3.000 Kilo darf sein Eigengewicht betragen. Sven Gesell notiert 1.500 Kilogramm vorn, 1.340 Kilo auf der Hinterachse. Die erlösenden Worte: „Das passt …“ Schnell noch die Gasplakette ans hintere Nummernschild geklebt – es kann losgehen. Ein neues Sicherheitsgefühl fährt mit.

Augenschein allein reicht noch nicht

Es folgt die Prüfung, für die niemand Brief und Siegel verleihen kann – das Leben und Wohnen auf Achse. Die erste Nacht im rollenden Heim an einem See im Kinzigtal verläuft ebenso problemlos wie der Rest des Trips durch Italien. Pünktlich können die beiden „Tanti auguri“ mit der Familie anstimmen. Zurück geht es mit ein paar Umwegen durch Italien. Irgendwo zwischen Rom, Florenz und dem Gardasee, zwischen Wildcampen und Stellplatz, reift bei Smiljka Fan und Dario Marcello ein Gedanke: Warum soll das Vanlife auf ein paar Urlaubswochen beschränkt bleiben?

Die Wohnung wird verkauft, eine Hündin namens Nala angeschafft, die Ersparnisse ersetzen das regelmäßige Gehalt. Zu dritt geht es in diesem Frühjahr auf unbestimmte Zeit quer durch Europa. Das Zuhause unter freiem Himmel führt schließlich die offizielle Bescheinigung der GTÜ mit sich: Dem Weiterbetrieb stehen keine Bedenken entgegen.

Wer mit den beiden mitreisen möchte, kann das auf Instagram tun: @vanchapter

Im Fernsehen sieht immer alles ganz einfach aus…: Eine ganz entscheidende Szene aus dem WDR-Film.

Von der GTÜ-Prüfstelle in alle Welt: Smijlka und Dario