Luftfahrwerke – Nur die Titanic liegt tiefer

Wo beginnt Tuning, wo endet es? Wer auf Nummer sicher gehen will, fragt die Experten vom Technischen Dienst der GTÜ. Sie erstellen die Gutachten, die zu einer individuellen Betriebserlaubnis führen. Diesmal geht es um Luftfahrwerke.

Wenn die Freunde sportlicher Fahrzeuge damit durch sind, ihr Auto über Felgen, Reifen, Federn, Dämpfer und Spoiler nach ihrem Geschmack zu verbessern und veredeln, finden sie häufig ein neues Betätigungsfeld: das Luftfahrwerk. Dabei handelt es sich um eine nachträglich eingebaut stufenlose Höhenverstellung des Wagens mittels eines Druckluftsystems. „Ein High-End-Projekt“, weiß Jochen Bürkle, Referent des Technischen Dienstes im Bereich Einzelgenehmigungen der GTÜ.

Zwei Punkte sind dem erfahrenen Fachmann dabei besonders wichtig. Erstens: „Den komplexen Einbau des Luftfahrwerks sollte der nicht besonders versierte Schrauber den Fachwerkstätten überlassen“. Und zweitens: „Sobald es um mehrere Tuningmaßnahmen geht, muss nach erfolgter Abnahme einer Modifizierung durch die Prüforganisation die Straßenverkehrsbehörde eine neue Betriebserlaubnis erteilen.“ Möglich geworden ist das durch die Liberalisierung der Paragrafen 21, 19.2 StVZO im März 2019. Die GTÜ hat sich umgehend des Themas angenommen und erstellt seitdem entsprechende „Einzelgutachten“ und „Einzelabnahmen“. „Wir freuen uns, dass sehr viele dieser Gutachten die Tuningszene betreffen“, sagt Robert Köstler, Geschäftsführer der GTÜ, „so können wir mit unserer Kompetenz viele neue zufriedene Kunden gewinnen.“

Damit Bordsteine künftig Luft sind für die Karosserie

Luftfahrwerke entwickeln ihre Magie durch durch speziell abgestimmte Stoßdämpfer und jeweils einen Luftbalg an den Aufhängungen von Vorder- und Hinterrädern. Die Verstellung erfolgt stufenlos, besonders elegant auch per App. Allerdings gestaltet sich der Einbau nicht eben einfach. So müssen die Luftleitungen knickfrei durch das Fahrzeug geführt werden, um Tanks, Kompressoren, Ventile und Luftbalg miteinander zu verbinden. Die Anlage nimmt daher oft einen guten Teil des Kofferraums ein. „In den meisten Fällen wird alles mit extrem schöner Optik eingebaut, einschließlich mancher Verchromung“, hat Jochen Bürkle beobachtet.

In vielen Fällen steht die Show im Vordergrund und weniger eine sportliche Fahrwerksabstimmung für schnelle Rennstreckenrunden. Dagegen sprechen oft auch die großen Räder samt Reifen besonders kleiner Querschnitte. Mitunter wird das Luftfahrwerk dazu eingesetzt, um durch Anheben der Karosserie den Spoiler eines Luxussportwagens vor steilen Garageneinfahrten oder Bordsteinen zu schützen. Anderen bereitet es pure Freude, den Wagen vor Publikum deutlich sichtbar hoch zu stellen oder eben auch abzusenken, bis die Karosserie fast auf der Straße liegt. Jochen Bürkle hat schon Fahrzeugaufkleber mit dem Spruch „Nur die Titanic liegt tiefer“ entdeckt.

Fahrwerk an Boden: Bitte Abstand halten

Die Sache mit dem Knick

Allerdings ist auch auf diesem Tuningfeld nicht alles gestattet, was technisch möglich wäre. Die GTÜ-Sachverständigen achten auf viele Punkte. Dabei geht es beispielsweise um die „scheuer- und knickfreie Verlegung für die Luftversorgung“ oder um die korrekt angebrachten Endanschläge, die ein Absenken sozusagen „auf Block“ begrenzen. Dabei dürfen die Räder natürlich nicht in den Radhäusern schleifen.

Bei einer Probefahrt wird geprüft, ob ein voller Lenkeinschlag bei Vorder- wie Rückwärtsfahrt oder ein Notlauf in drucklosem Zustand bei verschiedenen Geschwindigkeiten risikolos möglich sind. Zudem darf die Druckverstellung lediglich im Stand bei angezogener Handbremse möglich sein. Vorschriften der EU und StVZO definieren Maßbereiche etwa für den Abstand von Leuchteinheiten zum Boden. Auch dürfen Schalldämpfer, Katalysatoren oder der Unterboden der Fahrbahn nicht näher als 80 Millimeter kommen.

Zwischen uns passt nichts – außer einem bisschen Luft

Wer Tuning prüft, muss selbst geprüft sein

Um sicherheitsrelevante Veränderungen beurteilen können, erfüllen die Prüfer besondere Voraussetzungen, die deutlich über die für eine Hauptuntersuchung benötigten Kenntnisse hinausreichen. Über 400 der rund 2.300 GTÜ Partner in Deutschland gehören zu diesem Kreis der „Unterschriftsberechtigten des Technischen Dienstes“, die diese Dienstleistungen durchführen dürfen. Die GTÜ-Prüfer haben nach einem Ingenieurstudium ein acht Monate währenden Qualifizierungsprogramm zum „Kfz-Prüfingenieur“ absolviert. Eine mehrmonatige Zusatzausbildung für die Unterschriftsberechtigung kann nach einer dreijährigen Berufspraxis aufgenommen werden.

„Weil in den meisten Fällen neben dem Luftfahrwerk weitere Umbauten inspiziert werden, kann so eine Abnahme durchaus eine Stunde oder mehr dauern“, weiß GTÜ-Experte Bürkle. Dazu gehört auch eine detaillierte und mit Maßen, Druckwerten und Fotos belegte Dokumentation. Am Ende ist vieles eine Frage der Paragraphen. Im Falle einiger Mehrfachänderungen wird aus der Abnahme nach § 19.3 StVZO eine Abnahme nach § 19.2 StVZO. Im ersten Fall geht es nur darum, ob ein mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE) versehenes Zubehörteil wie eine andere Rädergröße richtig verbaut ist. Da genügt es, die Anbauabnahme mitzuführen.

Greift dagegen der § 19.2 StVZO, führt der Umbau zum Erlöschen der Betriebserlaubnis. Die Zulassungsstelle des Landratsamts wird die vom Technischen Dienst für korrekt befundenen Änderungen in der Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) eintragen. Erst dann gilt die Zulassung als wieder erteilt. Wer die Papiere der Überwachungsstelle nur im Handschuhfach mit sich führt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. „Wer die Bestimmungen beachtet, fährt auch mit einem seltenen Luftfahrwerk völlig legal“, betont Jochen Bürkle.

Tune-it! Safe!

Die GTÜ unterstützt die Initiative Tune-it! Safe! getreu dem Unternehmensmotto Mehr Service für Sicherheit“.  Die Partner des flächendeckenden GTÜ-Netzwerks in Deutschland bieten einen exzellenten Service rund um alle Tuningmaßnahmen am Fahrzeug, machen so sicheres Tuning möglich und tragen aktiv zur Verkehrssicherheit auf unseren Straßen bei. Das Spektrum reicht von der Beratung über Vollgutachten bis zur Änderungsabnahme. Mehr Infos zum sicheren Umgang mit veredelten Fahrzeugen unter www.tune-it-safe.de und natürlich bei www.gtue.de.