„Rost ist nicht mehr das Thema“

Interview: Robert Köstler, Chef der GTÜ-Sachverständigenorganisation, erklärt, wie man den besten Gebrauchtwagen findet.

Die GTÜ und die Auto Zeitung bringen jedes Jahr den Gebrauchtwagen-Report heraus. Ohne die Expertise der GTÜ wäre ein solcher Report schwer machbar, oder?

In der Tat, denn auch in dem aktuellen Gebrauchtwagenreport steckt wieder die Expertise von unseren über 2.500 hauptberuflich tätigen Kfz-Sachverständigen und deren Mitarbeitern. Sie überprüfen jedes Jahr über fünf Millionen Fahrzeuge in mehr als 11.000 Prüfstützpunkten in Kfz-Werkstätten und Autohäusern sowie in mehr als 700 eigenen Prüfstellen der GTÜ-Vertragspartner. Weil sie die Hauptuntersuchung durchführen, kennen sie genau die Stärken und Schwächen der einzelnen Modelle. Und diese Informationen fließen in den Gebrauchtwagenreport, der mehr als 250 Fahrzeuge listet.

Den Report gibt es seit 2005. Wie haben sich die Mängel bei den Gebrauchtwagen über die Jahre entwickelt?

Früher waren definitiv Rostprobleme das große Thema. Doch da haben eigentlich alle Hersteller wirklich nachgebessert, so dass es hier in der Regel keine gravierenden Aussetzer mehr gibt. Mittlerweile haben die Fahrzeuge deutlich mehr Probleme mit der Elektronik.

Sollte man sich lieber einen jungen Gebrauchten zulegen oder kann der auch schon sieben, acht Jahre alt sein?

Das kann man so pauschal leider nicht sagen. Wenn ein sieben, acht Jahre altes Fahrzeug immer gut gepflegt wurde, alle Service-Checks durchlaufen hat und zudem vielleicht noch ganzjährig in der Garage stand, kann es schon ein guter Kaufkandidat sein. Zumal diese älteren Modelle meistens auch wesentlich günstiger sind als sehr junge Gebrauchte. Vor allem bei jüngeren Gebrauchtwagen sollte man unbedingt einen Blick in das Serviceheft werfen. Dort ist die Fahrzeugwartung lückenlos dokumentiert. Auch Kundendienstrechnungen, Reparaturnachweise und Prüfberichte bieten Anhaltspunkte. Hellhörig werden sollte man, wenn es viele Vorbesitzer gibt. Das könnte auf ein Montagsauto hinweisen.

Klar ist aber auch, je jünger die Autos sind, desto glatter durchlaufen sie die HU. Eine bestandene HU spricht in der Regel immer für einen guten Zustand, denn nur wenn alles ok ist bekommen die Fahrzeuge ja auch eine neue Plakette. Wer sich unsicher ist, welches Modell das richtige für ihn ist, kann sich an unserem Gebrauchtwagenreport orientieren. Er enthält Hinweise auf mögliche Schwachstellen.

Einen Gebrauchtwagen kaufen, ohne ihn vorher gesehen zu haben oder gefahren zu sein, geht also nicht?

Nein, jeder Gebrauchtwagenkäufer sollte sich reichlich Zeit für die Fahrzeugbesichtigung nehmen. Die Mängelsuche beginnt mit einem Rundgang ums Auto. Gibt es Unterschiede bei den Spaltmaßen, lässt das meist auf einen Unfallschaden schließen. Auch wenn Reifen unterschiedlich stark abgefahren sind, sollte man hellhörig werden. Hilfreich ist außerdem ein Blick auf die Fahrzeugleuchten. Stimmt das Baujahr mit dem Produktionsdatum der Leuchten überein? Wenn nicht, können sie nach einem Crash vielleicht schon einmal ausgewechselt worden sein. Stutzig machen sollte auch ein sehr sauberer Motorraum. Rost versteckt sich übrigens meist gut. Es lohnt sich also, den Kofferraumteppich mal anzuheben oder in den Radkasten zu schauen. Muffiger Geruch im Innenraum deutet auf Feuchtigkeit hin. Ausgebesserte Unfallschäden lassen sich mit bloßem Auge oft nicht erkennen. Indizien dafür sind Farbspuren an eigentlich unlackierten Teilen wie Gummidichtungen.

Vor einer ausgiebigen Probefahrt sollten sämtliche Fahrzeugfunktionen getestet werden – von der Klimaanlage über elektrische Außenspiegel oder Sitzheizungen bis zum Radio. Die Musik bleibt dann aber während der Fahrt besser aus, denn sie übertönt so manches Geräusch, das auf Schäden hindeuten könnte.

Mancher Laie ist damit vielleicht überfordert. Kann die GTÜ nicht bereits vor dem Kauf helfen?

Natürlich. Wer unsicher ist, ob ein Gebrauchter unfallfrei und technisch in Ordnung ist, kann das Auto vor dem Kauf von unseren unabhängigen Sachverständigen begutachten lassen. Das lässt sich in der Regel gut mit einer Probefahrt vereinbaren. Wir ermitteln dann den Zustand des Fahrzeuges unter Berücksichtigung aller Faktoren wie zum Beispiel Unfallschäden, beschädigter oder fehlender Teile sowie notwendiger Reparaturen und/oder Wertminderung aus Vorschäden. Auf Wunsch können wir auch den Händlereinkaufs- und Verkaufswert, Zeitwert, Minderwert oder Wiederbeschaffungswert des vorgestellten Fahrzeuges bestimmen. Ist der Verkäufer mit der Einholung des Gutachtens nicht einverstanden, könnte er etwas verbergen wollen. Dann ist es eigentlich ratsam, die Finger davonzulassen und nach einem anderen Auto zu suchen.