Paartherapie auf Rädern

Fahrer und Beifahrer – das ewig unterschätzte Verkehrsproblem

Es gibt Themen rund ums Auto, da übt sich – ganz ausnahmsweise – sogar eine führende Sachverständigenorganisation wie die GTÜ besser in strikter Neutralität. Die kleinstmögliche Schicksalsgemeinschaft von Fahrer und Beifahrer kann, ganz genderneutral, im Nu zu größtmöglichen Verwicklungen führen. Eine echte Beziehungskiste.

Da staut sich was auf

Man nennt das wohl triggern, aber das Wort war noch nicht bekannt, als es losging mit dem Ärger. Da reicht ein harmloser Satz der Kategorie: „Hätten wir hier nicht links abbiegen müssen?“ Etwas mehr Feuer in den Hexenkessel bringt schon die an für sich gut gemeinte Bemerkung „Du fährst aber schnell“. Die gibt es auch in den wohlbekannten Steigerungsformen: „Musst Du so schnell fahren?“ Und, jetzt brennt es wirklich, dazu noch mit dem Wörtchen „immer“ garniert. Jetzt beginnt die Navigation zwischen Nähe und Nervenzusammenbruch.

Die verräterische Fußmatte

Kommentare gehen gegen die Fahrerehre, sind aber auch gutes Beifahrerrecht. Wer steuert, hat das Sagen, wer mitfährt, führt Befehle aus. So funktioniert das auf jedem Boot, da ist es auch akzeptiert. Aber im Auto können Menschen auf dem Nebensitz nichts ausführen, und das ist ihr Problem. Erst recht, wenn sie gegen die Untätigkeit und gefühlte Hilflosigkeit gedanklich mitlenken. Achten Sie mal drauf: Ist die Fußmatte auf der Beifahrerseite merkwürdig abgeschabt, dann tritt da jemand instinktiv mit auf die Bremse.

Warum wir aus der Haut fahren

Vermutlich aus Langeweile. Aber das wächst sich schnell zur Vertrauensfrage aus. Es soll Therapeuten geben, deren Wartezimmer voller verbaler Verkehrsopfer ist. Der freundliche Psychologe spricht dann gern vom „kommunizieren auf unterschiedlichen Ebenen“. Unterbewusstsein, Machtlosigkeit, Urängste – all das lässt sich prima in eine gemeinsame Autofahrt projizieren. Aber mit einem haben die Fachleute sicher recht: Wenn Paare gemeinsam unterwegs sind, ist das ein emotionaler Ausnahmezustand.

Zwei Sitze, ein Nervensystem

Aber es geht auch andersherum, das beweisen sogar Studien: Wer im Auto gut miteinander auskommt, trägt zur Minderung des Unfallrisikos bei. In Begleitung fahren wir sogar umsichtiger. Na bitte. Vielleicht müssen beide Seiten einfach nur häufiger den Reflex unterdrücken, die Reaktion des jeweils anderen zu kommentieren. Oder häufiger mal die Position wechseln, das sorgt dann schnell für ein besseres Einvernehmen. Herausragende Fahrer gibt es viele (zumindest nach eigener Einschätzung), gesucht sind daher offenbar die besten Beifahrer der Welt. Gemeinsame Autofahren sind das letzte große Abenteuer unserer Zeit.

Vom lenken und einlenken

Natürlich ist dem Kolumnisten klar, dass es sich mit solch wohlmeinenden Ratschlägen verhält wie beim Führerschein – gelegentlich gibt es einen großen Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Wenn das nicht hilft, dann vielleicht die Erinnerung, wie öde doch manchmal stundenlange Alleinfahrten sind. Oder dass auch ein ausnehmend harmonischer Zeitvertreib wie das Wandern nicht ganz ohne ist. Es reicht schon eine Weggabelung und die Frage: „Hätten wir nicht hier links…“