- 05. Februar 2024
- Tradition & Innovation
- Christian Steiger
Die Geschichte vom Pferd.
Classic News im Blog: Der Ford Mustang wird 60.
Heute ist es ziemlich leicht, einen typischen Ami der frühen Sechziger cool zu finden. Doch die jungen Autokäufer sahen das anders, als die fetten Ford Fairlane, Chevrolet Impala oder Plymouth Fury damals in den US-Schauräumen standen: Sie wollten nicht dieselben V8-Schiffe wie ihre Daddys fahren. Sondern Autos, die jünger, vitaler und individueller wirken. Blöd nur, dass sowas kein amerikanischer Hersteller im Programm hatte. So beginnt sie, die Heldengeschichte des Ford Mustang. Und wie wir heute wissen, hat sie auch nach sieben Modellgenerationen und über zehn Millionen produzierten Autos noch kein Ende gefunden.
Am Anfang steht ein Geheimnis
Es ist nicht nur ein Boom, den der Mustang im Frühjahr 1964 auslöst, es ist eine regelrechte Hysterie. Die ganze USA fiebert dem neuen Modell entgegen, das der zweitgrößte Autohersteller der Welt am 6. Februar 1964 lediglich mit einer schütteren Pressemeldung ankündigt. „Die Ford Division hat heute bestätigt, dass sie in diesem Frühjahr eine neue Fahrzeugreihe einführen wird“, heißt es darin. „Die neue Fahrzeugreihe wird Mustang heißen. Bis zur öffentlichen Vorstellung werden keine weiteren Details bekannt gegeben.“
Einmal durch die Weltgeschichte
Tatsächlich folgt jedoch kein Schweigen, sondern eine der aufwendigsten Markteinführungs-Kampagnen der US-Autogeschichte. Es beginnt schon damit, dass Ford den Mustang nicht wie damals üblich im Herbst vorstellt, sondern im Frühling: Clever. Denn damit gibt es keine Konkurrenz, die dem neuen Auto die Show stehlen könnte. Zudem startet der Konzern eine gigantische Werbekampagne mit Anzeigen, die in 2600 US-Zeitungen erscheinen, sowie einminütigen TV-Spots, die jeweils über 29 Millionen Zuschauer erreichen. Nicht weniger Aufsehen erregt die offizielle Präsentation des Ford Mustang am 17. April 1964: Sie findet auf der New Yorker Weltausstellung statt, wo Ford einen eigenen Pavillon bespielt. Im gläsernen Tunnel setzen sich die Besucher in Mustang Convertibles, anschließend schiebt sie ein Laufband durch ein Phantasieland voller Szenarien, die nicht weniger als die Geschichte der Erde nachstellen.
Käufer schlafen im Schauraum
Bei den Ford-Händlern kommt es derweil zu tumultartigen Szenen, die in die Marketing-Geschichte eingehen. In Seattle ist ein Lkw-Fahrer so geblendet vom Anblick des Mustang, dass er seinen Truck durch die Glasfront des Schauraums steuert. In Garland, Texas, versteigert ein Verkäufer den Vorführwagen unter 15 Interessenten; der Höchstbieter übernachtet in seinem Auto, bis die Bank das Geld überwiesen hat. Und in St. Johns, Neufundland, vergisst der Ford-Verkäufer Harry Phillips, dass er das weiße Vorführ-Cabrio gar nicht verkaufen darf, weil es zur handgedengelten Vorserie gehört. Eigentlich will Ford den Mustang mit der Fahrgestellnummer 00001 zurück, doch auch für einen Automulti gelten Verträge: Erst im März 1966 rückt der Käufer das historisch wertvolle Stück wieder heraus – im Tausch gegen den einmillionsten Mustang mit Vollausstattung.
Ein Langweiler macht den Mustang möglich
Am Ende ist es natürlich die Ford Motor Company, die das beste Geschäft von allen macht. Je nach Quelle hat der Konzern zwischen 35 und 75 Millionen US-Dollar in die Mustang-Entwicklung investiert, das ist ein Bruchteil der Summe, die der Konzern üblicherweise für ein neues Modell ausgibt. Möglich macht es ausgerechnet das langweiligste Modell der Ford-Palette, der 1959 präsentierte Falcon, der die technische Basis für den Mustang liefert und damit dessen Kampfpreis sichert. Nur 2368 Dollar kostet der günstigste Mustang, doch er sieht mit seinem europäisch wirkenden Traumwagen-Design mindestens doppelt so teuer aus: Das ist das eigentliche Erfolgsgeheimnis des Jahrhundert-Autos, mit dessen Konzept sich der damalige Ford-Vizepräsident Lee Iacocca ein ewiges Denkmal setzt. Und dann sind da noch die vielen Extras, mit denen sich das Massenauto wie ein Manufakturprodukt individualisieren lässt: Sechs unterschiedliche Motoren, 17 Lackfarben und 72 Extras lassen keinen Mustang wie den anderen dastehen – und saugen jedem Käufer im Schnitt nochmal 1000 Dollar aus den Taschen.
Kein Ford verkauft sich besser
Schon Abend des 17. April 1964 sind 22.000 Kaufverträge unterschrieben, die geplante Jahresproduktion von 100.000 Autos ist nach drei Monaten weg. Am Ende des ersten Jahres sitzen über 418.000 Amerikaner im neuen Mustang. Und 1966 ist das Rekordjahr, in dem Ford über 600.000 Exemplare des Kultwagens baut. Kein anderer Ford verkauft sich so gut, auch die fetten Fairlane und Galaxie nicht. Es ist eben ganz leicht, den Mustang cool zu finden, daran wird sich in 60 Jahren nichts ändern. Und dass es nicht mal eine Frage des Alters ist, wissen wir heute auch – aus einer riesigen Sammlerszene, die Mustang-Fans aller Generationen miteinander verbindet.