Chinas Automobilindustrie: Gekommen, um zu bleiben

IAA 2023: Zukunft und Zuversicht für die Autonation Deutschland.

Auch bei der E-Mobilität ist das Reich der Mitte präsent

Eine Kolumne zur Autoshow IAA

Irgendwo zwischen Messegelände und Odeonsplatz muss sie überfahren worden sein, die Zuversicht für die Autonation Deutschland. Das Schreckgespenst China geht um, massiv drängt das Riesenreich auf den Markt der E-Mobilität – mit einer Vielzahl von Marken und Modellen. Die Münchner Show konnte einem manchmal wie eine CAA vorkommen konnte, eine Chinesische Automobil Ausstellung. Aber die IAA Mobility gibt durchaus Auf- und Antrieb für die hiesigen Hersteller und Zulieferer, wenn sie als Weckruf verstanden wird. Zukunft und Zuversicht sind enge Verwandte.

Das Auto bleibt gesellschaftsfähig

Zunächst einmal: Totgesagte fahren länger. Die Pkw-Dichte in Deutschland hat im vergangenen Jahr mit 583 Fahrzeugen auf 1.000 Einwohner einen neuen Höchststand erreicht. Trotz der Zustände in den Prüfungs- und Zulassungsstellen sind 1,44 Millionen neue Führerscheine ausgestellt worden, insbesondere an 18- bis 24-Jährige. Auch bei den Neuzulassungen gibt es Rekordzahlen.

Für Bundeskanzler Olaf Scholz steht die Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Autoindustrie außer Frage: „So schön joggen ist, für manche Strecken nimmt man doch besser das Auto.“ Keine Frage, das Auto hat Zukunft. Die Frage ist nur: Welcher Antrieb und von wem kommt er?

Politische Note auf der IAA: Bundeskanzler Olaf Scholz

Der große Traum ist ein Delphin

Die Angst, die sich unter deutschen Automobilfirmen breit gemacht hat, hat vor allem drei Buchstaben: BYD könnte bald weltweit zum Marktführer in der Elektromobilität werden. Das Kürzel steht für „Build Your Dreams“, und hat seinen Erfolg auch einem Umkehrprinzip zu verdanken. BYD war zuerst Batteriehersteller, dann wurde ein Auto drum herum gebaut. Der jüngste, groß in München gezeigte Traum heißt „Dolfin“, und dementsprechend schwammen immer wieder Delphine über den Messestand – natürlich nur in digitalisierter Form. Aber imposant. Wie der Einstiegspreis für den Viertürer, der noch in diesem Jahr zu haben sein soll – etwa 30.000 Euro.

Chinesen sind gekommen, um zu bleiben

Nach den Japanern, den Koreanern und Tesla ist die chinesische Marktoffensive der vierte Angriff auf die deutsche Automobilindustrie. Die Hersteller aus dem Reich der Mitte operieren im Tempo der Künstlichen Intelligenz – sie lernen rasend schnell dazu, dementsprechend werden Autos aus China immer besser. Das gilt auch für Geely, Nio, Xpeng oder SAIC. Namen, an die wir uns gewöhnen werden, denn sie werden künftig auch häufiger bei den GTÜ-Partnern zu sehen sein. Noch sind die Absatzzahlen und Marktanteile in Europa eher bescheiden, aber die IAA Mobility soll eine Offensive einläuten. Das Selbstvertrauen ist groß, noch fehlt es aber an überzeugenden Servicekonzepten. Dafür wird das Design immer besser, auch dank abgeworbener europäischer Koryphäen.

Reger Austausch auf der diesjährigen IAA

Alles eine Frage des Preises

Zur steigenden Qualität gesellt sich ein finanzieller Vorteil, die vergleichsweise hohen Preise deutscher Marken schrecken viele Verbraucher vor dem Umstieg in die E-Mobilität ab. Das große Problem: es fehlt an Einstiegsmodellen und Kompaktwagen, die weit unter 40.000 Euro zu haben sein sollten. Das hängt auch damit zusammen, dass die Batterie einen Batzen von 40 Prozent bei den Herstellungskosten ausmacht. Im Vergleich zum Heimatmarkt sind chinesische Autos hierzulande übrigens auch nicht mehr ganz so günstig. Für die Zukunft wird ein Preiskampf erwartet, in den auch Tesla verwickelt werden dürfte.

Deutsche Konzerne wehren sich

Das Problem ist in den hiesigen Manager-Etagen erkannt. Auch wenn Mercedes-Chef Ola Källenius seinen Konzern stark auf das Luxussegment trimmt, sollen vier kleinere oder mittelgroße Modelle bleiben – vom CLA bis zum GLB.  Volkswagen verspricht mit dem ID.2 in zwei Jahren ebenfalls ein massentaugliches E-Auto, angedachter Preis um die 25.000 Euro. BMW schwört seine Kundschaft auf die „Neue Klasse“ ein, bleibt aber weiterhin technologieoffen – was den Münchnern bisher gut bekommen ist. Deutschlands Vorzeigindustrie setzt weiter auf den hohen Qualitätsanspruch und investiert mehr und mehr in Batteriekonzepte, die die hohe Abhängigkeit von Rohstoffen oder Teilen aus China reduzieren soll. Aber funktionierende Transformation lässt sich nicht von Null auf Hundert beschleunigen. Gefragt sind tragfähige Ideen, nicht Ideologien.

München im Zeichen der Autoshow

Verjüngungskur für einen alten Porsche

Auch ein Porsche 928 kommt nicht um die Hauptuntersuchung herum.

In der Prüfhalle beim GTÜ-Partner Stoll + Kollegen wird der 928 gründlich durchgecheckt.

Der 928 von GTÜ Classic bei der Hauptuntersuchung.

Auch wenn er stolz und stilvoll den Schriftzug der GTÜ auf seinen Seitenpartien trägt, kommt der Porsche 928 nicht um die Hauptuntersuchung herum. Ehrensache, dass die Prüfingenieure beim GTÜ-Partner Stoll + Kollegen in Sindelfingen besonders genau hinsehen bei diesem Auto. Sie kennen sich bestens aus mit älteren Fahrzeugen. Der Neuzugang im Fuhrpark von GTÜ Classic wiederum soll sich keine Blöße geben, deshalb ist er zuvor über anderthalb Jahre lang liebevoll und aufwändig restauriert worden. „Dass wir alle Verschleißteile ersetzen mussten, bringt das Alter mit sich“, sagt Classic-Referent Martin Gassl über den Porsche Baujahr 1978, „ein besonderes Augenmerk galt auch der Lichttechnik.“ Sicher ist sicher.

Die Jagd nach dem Lüftungsschlitz

Anderthalb Jahre lang haben sich die Mitarbeiter der GTÜ Classic und externe Experten darum gekümmert, Porsches Reise-Sportwagen wieder in jenen Zustand zu versetzen, den er einst hatte. Die Fahrgestellnummer mit der Endung 00718 weist den Wagen als das 718 Exemplar der Baureihe aus dem ersten Modelljahr aus – ein echter Klassiker also. Eine technische Instandsetzung ist nach dieser langen Zeit nötig, aber kein Lifting oder Tuning. Denn das Ziel ist es, den 928 möglichst originalgetreu wieder auf die Straße zu schicken. Das braucht viel Liebe zum Detail und noch mehr Geduld. „Versuchen Sie mal, 45 Jahre alte Lüftungsschlitze einer Serie mit gerade einmal drei Jahren Bauzeit zu finden“, sagt Martin Gassl, und erklärt seine ausdauernde Motivation: „Irgendwann wird es eine Frage des Ehrgeizes.“ Das GTÜ-Fahrzeugarchiv lieferte bei der Recherche nach den korrekten Teilenummern gute Dienste. Und wieder ein Puzzlestückchen mehr hin zum ursprünglichen Glanz. Jetzt noch einen Sattler finden, der die Bezüge mit dem Pascha-Muster aufarbeiten kann, dann wäre auch innen fast alles wieder auf altem, neuem Stand.

100.000-Kilometer-Test steht bevor

Wie gut, dass der Kilometerzähler damals schon sechs Stellen umfasste. Mit seinen bisher gefahrenen 98.210 km wird der weiße Porsche garantiert den berühmten 100.000-Kilometer-Test in Diensten der GTÜ absolvieren. Alles eine Frage des Antriebs. Der Achtzylinder hatte nach der ersten Untersuchung zwar keinerlei Ölverluste aufgewiesen, dennoch wurde eine komplette Motoren-Revision in Auftrag gegeben. In diesem Alter weiß man nie. „Die Maschine wirkt wieder, als käme sie direkt aus der Produktionslinie“, sagt der Classic-Referent stolz, „wir haben von den Technikern grundsätzliche eine gute Substanz bescheinigt bekommen.“ Das galt auch generell für die Karosserie, der Zahn der Zeit war auch hier äußerst gnädig, und somit war die Basis für ein erneuertes Lackkleid in der Originalfarbe R4R4 – Grandprix-Weiß gegeben.

Was für ein Zustand!

Eine weitere angenehme Überraschung gab es bei der gründlichen Durchsicht des 928 in GTÜ-Besitz: Im Kofferraum fand sich noch das komplette Original-Zubehör samt Ersatzrad mit Kompressor. Wäre es nicht um eine HU gegangen, sondern um ein Wertgutachten für historische Fahrzeuge, hätten die Prüfingenieure „guter Zustand“ eintragen können – und die Marktwertanalyse würde wohl bei knapp über 35.000 Euro liegen. Zum Vergleich: der Neupreis lag bei 60.780 D-Mark.

Der Porsche 928 geht auf die Reise

Der Neue bei GTÜ Classic im Porträt.

Das neue Glanzstück der GTÜ Classic im Einsatz: GTÜ-Oldtimerausfahrt 2023 nach Regensburg

Reisewagen, was für ein wunderbares Wort. Selbst wenn es nicht der üblichen Klassifizierung der Oldtimer-Bewertung entsprechen sollte, versteht jeder, welche Sehnsucht da mitfährt. Der Porsche 928, 1977 auf den Markt gekommen, ist ganz offiziell natürlich ein Sportwagen, aber eben auch einer, der für lange Reisen taugt. Das ist perfekt für die Reisenden, aber sorgt auch für ein ausdauerndes Autoleben. Das Exemplar mit der Nummer 718, das nun in Diensten von GTÜ Classic steht, stammt aus dem Modelljahr 1978. Seine 45 Jahre sind ihm kaum anzumerken, was auch an der sorgfältigen Restaurierung liegt, über die unser Blog noch ausführlich berichten wird. 

Rückwärts schneller als vorwärts?

Ein Porsche mit acht Zylindern, schon die Idee strotzt vor Kraft. Für einen, der ursprünglich mal als Nachfolger der Ikone 911 gedacht war, gehört das zur Pflicht. Der Sound bei diesem optimalen Gran Turismo stimmt, das Fahrgefühl auch, beides lässt sich als satt und souverän charakterisieren. Laufruhe und Durchzugskraft sind entsprechend. Dazu eine abgerundete Form, die von der Aerodynamik vorgegeben wird, und es zumindest in der Theorie ermöglicht, dass das Auto rückwärts schneller fahren könnte als vorwärts. Ein besonderes Fahrzeug also, nicht bloß für Porsche. 1978 wird der 928 zu Europas Auto des Jahres gewählt. Diese Ehre war zuvor noch nie einem Sportwagen zuteil geworden. Die Klappscheinwerfer im Kugel-Design mögen zu dieser Aufmerksamkeit beigetragen haben, ebenso wie die leicht psychedelischen Pascha- Karopolster und die Felgen im Telefonwählscheiben-Look.

Auffälliges Innenleben: Pascha-Karopolster

Die Geburt der Weissach-Achse

Leichtbau ist für die Konstrukteure das große Thema, wo es nur ging, wurde Stahlblech durch Aluminium ersetzt, wie bei den Türen, der Motorhaube oder den vorderen Kotflügeln. Der großvolumige und wassergekühlte V-8-Frontmotor und das Getriebe sind getrennt, verbunden nach dem Transaxle-Prinzip, das für eine günstige Achslastverteilung steht. 240 PS sorgen in der Basisversion für ein Spitzentempo von 230 km/h. Außerdem befindet sich beim Modell 928 das Zündschloss Le-Mans-Start untypischerweise rechts. Eine weitere Besonderheit ist die Doppelquerlenkerachse hinten, die als „Weissach-Achse“ berühmt wird, frei nach dem technischen Geburtsort im Forschungs- und Entwicklungszentrum von Porsche vor den Toren Stuttgarts. Aber Weissach dient auch als Abkürzung für die korrekte Bezeichnung als „Winkel-Einstellende-Selbst-Steuernde-Ausgleichs-Charakteristik“. Die Aufhängung stabilisiert die Vorspur und trägt zur aktiven Sicherheit bei. Der 928 wird bewusst luxuriös ausgestattet, auf Wunsch mit einer Klimaanlage, die auch das Handschuhfach kühlt.

Damit es nicht langweilig wird

Porsches damaliger Chefdesigner Anatole Lapine sollte Recht behalten mit seiner Einschätzung über den auf dem Genfer Salon 1977 erstmals präsentierten großzügigen Zwei-plus-Zweisitzer: „Konventionelle Autos wirken nach kurzer Zeit langweilig.“ Deshalb ist der 928 auch nach fast einem halben Jahrhundert durchaus noch wertvoll, gut erhaltene Exemplare werden zwischen 20.000 und 90.000 Euro (insbesondere für GT und GTS-Modelle) gehandelt.