Ein Kunstmuseum geht auf Achse

Die BMW Art Cars sind seit 50 Jahren unterwegs.

Ken Done / BMW M3 Gruppe A / 1989, Foto: www.bmw.com

Seit fünf Jahrzehnten werden Kunstwerke von BMW rasend gemacht, 20 der berühmtesten Künstler der Welt durften die so genannten Art Cars ganz nach eigenem Gusto gestalten. Die rollenden Skulpturen bieten einen Querschnitt durch die Kunstgeschichte, vom Minimalismus über die Pop-Art bis zur Abstraktion. Was für eine Spielwiese aus Kunst, Design, Technologie! Zum Jubiläum reisen die schönsten Exemplare um die Welt, in der Münchner BMW Welt haben vom 16. Juni an M3 Art Cars von Sandro Chia, Michael Jagamara Nelson und Ken Done ein Heimspiel.

Am Anfang steht eine schräge Idee

Der Franzose Hervé Poulain steht mitten im New Yorker Guggenheim-Museum, zu dem sich der Baumeister tatsächlich von Autorrädern hat inspirieren lassen, und erzählt, wie es zu der rasantesten aller Kunstgeschichten kommen konnte. Der Rennfahrer war 1975 auf die Idee gekommen, Motorsport und Kunst zusammenzubringen – was sich auf den ersten Moment schräg anhört. Der verrückte Einfall, der beim damaligen BMW-Rennleiter Jochen Neerpasch auf fruchtbaren Boden fällt, bringt Poulain einen Sitz beim 24 Stunden Rennen von Le Mans. Vor allem aber bewegt es den US-Künstler Alexander Calder dazu, einen BMW 3.0 CSL zu lackieren. Der spontane Einfall geht in Serie: Die BMW Art Cars sind geboren, und sie feiern in diesem Jahr ihr großes Jubiläum.

Alles Originale, aber unverkäuflich

Der Wert der Sammlung, die komplett im Besitz des Münchner Automobilherstellers ist, lässt sich nur schätzen – auf mehr als eine halbe Milliarde Euro. Sie ist nichts für Spekulanten, jedes der rasenden Kunstwerke trägt das Etikett: unverkäufliches Einzelstück. Nur eine einzige Vorschrift ist allen Künstlern bei der Gestaltung gemacht worden: Die Aerodynamik der Autos darf nicht beeinflusst werden, und das Gewicht sich nicht erhöhen. Denn die Art Cars gehen richtig ins Rennen.

Die Art Cars sind Publikumslieblinge

Der Härtetest gehört zum Prinzip der Sammlung – eine glaubwürdigere Anzeigenkampagne für das Kulturprogramm von BMW und die Verbindung von Kunst und Technologie sieht man nicht. „Hinter der Idee steckte die pure Leidenschaft, kein Konzernkalkül. Und nach dem ersten Boxenstopp wurde das Calder-Auto damals in den Siebzigern zum Publikumsliebling“, weiß der BMW-Kulturbeauftragte Thomas Girst, „und diese Geschichte lassen wir weiterleben.“ Die M-Power wird um die Vorstellungskraft ergänzt. Künstler, Ingenieure und Motorsportler eint, dass sie immer ans Limit gehen wollen. Ihre Energie ist die Emotion.

Schon mal einen rasenden Lichtenstein gesehen?

Eine bestimmte Zahl von Ersatzteilen müssen sie gleich mit bemalen, das lehrt die Erfahrung. Jeff Koons hat manches Teil sogar drei Mal signiert, um es für den Fall eines Unfalls auf Halde zu haben. Die meisten Rennfahrer scheren sich wenig darum, wie ihr Auto bemalt ist – sie sitzen ja drin. Beim Publikum sieht das ganz anders aus, es feiert die besonderen Lackierungen. Viele Künstlernamen aus der Art Car Collection wären auch gut als Fahrernamen auf den Seitenscheiben vorstellbar: Frank Stella, Roy Lichtenstein, Robert Rauschenberg oder David Hockney haben einen guten Klang.

Andy Warhol kommt ins Ziel

Das berühmte Auto von Alexander Calder, dass den Weg für die BMW Art Cars bahnte, war 1975 schon nach sieben Stunden ins Le Mans reif fürs Museum – Kardanwelle defekt. Auch Frank Stellas Coupé wurde in Le Mans und Dijon vom Pech verfolgt. Den ersten Erfolg mit Kunstbezug fährt dann 1977 tatsächlich der französische Ideengeber Hervé Poulain ein, Roy Lichtensteins Rennwagen belegte den neunten Platz im Gesamtklassement und den ersten in seiner Klasse. Auch der M1, den Andy Warhol in nur 28 Minuten bemalte, erlebte seine Feuertaufe in Le Mans 1979. Wieder mit Poulain, aber auch mit einem Manfred Winkelhock hinter dem Steuer – es reichte für den sechsten Gesamtrang. „Ich liebe das Auto“, scherzte Warhol, „es war besser als die Bemalung…“

Hat jemand noch einen Plan?

Eine Kolumne über das innere Navigationssystem.

Jeder kennt die erlösenden Worte: „Sie haben Ihr Ziel erreicht.“ Ich bin also da. Aber wo bin ich eigentlich? Bin ich überhaupt selbst gefahren, oder einfach nur dieser – zugegebenermaßen angenehmen – Stimme nachgereist („Nach 323 Metern rechts…“)? Habe ich überhaupt wahrgenommen, warum ich abgebogen bin, wieso es unbedingt diese Route sein musste? Bin ich etwa selbst schon so automatisiert wie dieses Navigationssystem?

Als sich die Umgebung noch entfalten konnte

Wer seine Mitmenschen überraschen möchte, manche damit vielleicht auch erschrecken, der kann das ganz leicht tun. Es reicht schon die Fangfrage: Kannst Du eigentlich noch Kartenlesen? Zurück kommt dann meist ein Stirnrunzeln, bei vielen ein energisches Kopfschütteln oder die entsetzte Rückfrage: „Warum sollte ich?“ Praktisch jeder, den Autor inbegriffen, denkt mit Grausen daran, wie kompliziert es war, im Auto die Patent-Faltpläne erst auseinander und dann vor allem jemals wieder zusammen zu bekommen. Längst aber ist klar: sie helfen, sich zu entfalten. Im Wortsinn.

Vom rechten Weg abgekommen

Zugegeben, dass war tatsächlich eine dunkle Seite der Straßen-Karten-Romantik. Aber die Auseinandersetzung mit Wegen und Orten war vielleicht auch genau deshalb eine andere, intensivere. Wer die falsche Route gewählt hat, der wusste, dass er selbst schuld war, und hat es sich vielleicht auch deshalb gründlicher überlegt. Heute haben viele auch auf dem täglichen, immergleichen Weg zur Arbeit das Navi an – vielleicht auch nur, um zu sehen, wie viele Minuten langsamer oder schneller es im Gegensatz zum Vortag war. Aber ein Gefühl für Weite und Nähe schaffen sie trotz allem nicht.

Nicht alles auf eine Karte setzen

Karten besitzen keine Multi-Funktionen. Aber sie helfen, den Raum zu begreifen, sich selbst im Raum zu begreifen. Das ging schon als Kind, mit dem Finger über die Landkarte. Sozusagen die Trockenübung fürs Verreisen. Um nicht als hoffnungslos old fashioned abgestempelt zu werden, nimmt diese Kolumne jetzt die Künstliche Intelligenz zu Hilfe. Sie gibt sich bei der Streitfrage tatsächlich unparteiisch: „Eine Landkarte bietet eine umfassende Übersicht und ermöglicht ein besseres Verständnis von Entfernungen und Proportionen, während ein Navigationssystem eine präzise Wegführung und Echtzeitinformationen liefert.“

Bild: stock.adobe.com/RomanR

Plötzlich ist die Straße Grün

Verstanden, dass es um die eigene Weltanschauung geht. Die sollte einem generell keine KI abnehmen, jedenfalls wäre das beruhigender. Einen Plan haben oder keinen Plan haben, das ist höchst individuell. Aber wir bleiben dabei: ohne Software können sich reizvollere Perspektiven ergeben, mancher Umweg entpuppt sich als das genaue Gegenteil eines Irrwegs. Die reiseerfahrenen Kollegen vom Thevandog-Blog behaupten sogar: „Das Risiko, die Schönheit einer Region zu übersehen, kann kaum größer sein, folgt man seinem Navigationsgerät auf dem vorgeschlagenen Weg.“ Und sie folgen meist den grün gekennzeichneten Straßen auf den Karten, denn diese Farbe steht für „sehenswert“.

Karten bleiben der große Sehnsuchtsverstärker.

Merkst Du noch was?

Der Härtetest für den modernen Navigator, dessen maps sofort den nächstgelegenen Tierarzt oder eine Dönerbude auswerfen kann, kommt beim technischen Blackout: Kein Monitor, kein GPS, kein Netz – und schon ist verloren, wer nicht vorher wenigstens besondere Bauwerke oder markante Punkte in der Landschaft registriert und im Unterbewusstsein abgespeichert hatte. Im Altstadt-Gewirr von Barcelona hat das den Autor einmal gerettet. Er gibt aber auch gern zu, bei der Fahrt von Aachen nach Belgien nur aus dem Gedächtnis heraus dann plötzlich in Holland gelandet zu sein.

Wo wir wirklich hinwollen

Der aufmerksame Kollege aus der Redaktion lauscht gern solchen Geschichten, gibt aber zu bedenken: „Wir finden uns in aller Welt zurecht. Aber wenn wir nur von Stuttgart in den Schwäbischen Wald wollen, ist das ein kompliziertes Unterfangen, das anscheinend nicht mehr ohne technische Hilfsmittel zu bewerkstelligen ist.“ Natürlich sind digitale Routenplaner ein Fortschritt – was die Funktion angeht. Aber in Sachen Faszination ist es ein Rückschritt gegenüber der Landkarte. Denn die hilft uns besser zu verstehen, wie die Welt um uns herum aussieht. Aber die Entscheidung, wo wir wirklich hinwollen, die kann uns sowieso niemand abnehmen. Auch wenn es das Navi immer und immer wieder versucht.

Bild: stock.adobe.com/Cristian Blázquez

Michael Mauer – der Mann, der Porsches Erbe hütet

Die Blog-Serie zu den berühmtesten Automobildesignern, Teil zwei.

Bild: newsroom.porsche.com/de

Sie bestimmen das Aussehen unserer Autos, und damit auch das, was wir im Alltag sehen oder fahren. Aber die Gesichter der Designer selbst bleiben in der Regel im Verborgenen. Stille Künstler. Dabei verbergen sich dahinter selbst echt Typen. In dieser Serie stellen wir einige der angesehensten Fahrzeugschöpfer vor. Diesmal: Michael Mauer, der für alle Porsche in diesem Jahrtausend verantwortlich zeichnet.

Eine Studie besagt: Wenn Kinder ein Auto zeichnen sollen, zeichnen sie einen Käfer. Sollen sie ein schnelles Auto malen, wird es die Form eines Porsche. Automobildesign scheint so einfach. Michael Mauer muss schmunzeln über diese Annahme. Mitten im Gespräch hatte er sich einen kleinen Stapel Papier genommen und angefangen, seine Worte mit Skizzen zu untermalen. Nur für sich. Weshalb er bestätigen kann: „Ich erkläre Kindern, die mich fragen, was ein Designer so tut, auch immer: Autos malen. Meistens beginnen sie dann selbst zu malen, entweder eckig oder rund. Und wenn sie es sportlicher machen, wird es flacher. Ich weiß nicht, ob das bewusst geschieht. Aber sowohl der Käfer wie der Porsche sind Arche-Typen für das Thema Automobil. Und in der heutigen Zeit, wo im Automobildesign viel überladen wird, drücken solche Kinderzeichnungen unbewusst aus, dass ein Porsche immer noch eine Form besitzt, die – in Anführungsstrichen – nicht zu verbessern ist.“

Wie kommt ein Porsche in Form?

Aber genau das ist die Aufgabe des 63-Jährigen: die perfekte Form immer noch ein bisschen besser zu machen. Ein Traumjob, aber eben auch einer, der einem schlaflose Nächte bereiten könnte. Dafür ist der Feingeist Mauer aber nicht der Typ. Er schafft automobile Träume, aber er ist sehr klar in seinem Auftritt und seinem Tun: „Der Ansatz, dass die Form der Funktion folgt, hat ganze Generationen von Designern geprägt. Einige fanden das langweilig, sie haben Abwandlungen wie „form follows emotion“ gesucht. Aber auf die Fahrzeuge von Porsche trifft der ursprüngliche Leitsatz immer noch zu. Wir pflegen ein sehr schlichtes Design, im sehr positiven Sinne gemeint. „Die gewisse Zurückhaltung ist Mauer wichtig, ein Porsche muss nicht dick auftragen: „Die Einfachheit der Form, ihre Klarheit, drückt den Spaß der Emotion und den der Alltagstauglichkeit zugleich aus.“

Bild: newsroom.porsche.com/de

Immer eine Frage des Stils

Der Porsche-Stil, wie ihn Mauer im Geheimlabor in Weissach vor den Toren Stuttgarts pflegt, basiert auf einer unumstößlichen Formensprache. Die verrät Mauer durchaus: „Die Kotflügel sind bei einem Porsche höher als die Haube. Das ist bei einem 911 so, der den Motor hinten hat, aber auch bei einem Cayenne. Oder der typische Fugenverlauf und dass ein Porsche keinen klassischen Kühlergrill besitzt.“

Starkes Auto, starke Schultern

Von den Proportionen her ist Mauer auch jemand, der dem Fahrzeugheck gern starke Schultern verleiht.  „Für mein Team und mich gilt es dabei stets, eine Balance zu finden – das in der Vergangenheit so erfolgreich gemachte Design fortzuschreiben und in die Zukunft zu tragen, aber dennoch den Kern nicht zu verlieren. Wir stehen dabei immer am Ufer und fragen uns: Wie weit werfe ich den Stein?“ Die Lösung, um die für ein neues Modell manchmal jahrelang gerungen wird: es gilt, die richtige Distanz für den Wurf zu finden.

Pforzheim, Tokio, Stockholm, Weissach

Seit Ende 2004 leitet Michael Mauer die Designabteilung namens „Style Porsche“. Studiert hatte er von 1982 bis 1986 an der Fachhochschule in Pforzheim, danach führte der Weg zu Mercedes-Benz. Die V-Klasse und der SLK waren seine ersten Projekte, einem Ausflug nach Tokio folgte das Design des Smart. Zur Jahrtausendwende wechselte er zu Saab nach Schweden, übernahm dann auch das Advanced Design von General Motors in Europa – so wie er heute auch bei Volkswagen der übergeordnete Herr über die Gestaltung ist. Motto: „Der Designer muss ein Menschenversteher sein, er ist eine empathische Kompetenz im Unternehmen. Ich mache schließlich Produkte für Menschen.“

Der Designer ist für den Kunden da

Kein Problem hat er damit, seinen persönlichen Geschmack im Beruf zurückzunehmen: „Wir Designer machen Autos für Kunden – und nicht für Designer. Jeder hat seine Vorlieben, aber man muss sich ständig fragen: Ist es für den Kunden das Richtige?“ So entstehen intensive Auseinandersetzungen, und das mag er an seiner Chef-Rolle: „Man darf sich keine Arroganz leisten und behaupten, nur man selbst wisse, was gutes Design ist. Die größte Gefahr sind die Scheuklappen. Dagegen hilft nur eins: aufmachen!“

Bild: newsroom.porsche.com/de

So sieht der nächste 911 aus

Die Sorge, dass ihm mal die Ideen ausgehen, hat Michael Mauer ganz eindeutig nicht. Mehr bewegt ihn schon die Suche nach Ausdrücken, die Ausdrücke, die einen Porsche endgültig beschreiben können. Dabei hat er für sich ein wunderbares Wortpaar gefunden: „Gestaltete Präzision“. Und tatsächlich verrät er ganz zum Schluss, wie der nächste Porsche 911 aussehen wird: „Wie ein 911. Auch wenn einige Elemente der Formensprache verändert sein werden, ist er auf den ersten Blick als Elfer zu erkennen. Aber eben als ein neuer Porsche 911.“

Extra

Der Autor hat zusammen mit Michael Mauer im Delius-Klasing-Verlag das Buch „911 Design – Die Design-Bibel zum meistgebauten Sportwagen der Welt“ veröffentlicht.