Von der Hebebühne bis zur Boxengasse

Was Formel 1 und GTÜ-Prüfstelle gemeinsam haben

GTÜ-Prüfingenieurin Fanny Frey (links) und Formel-1-Renningenieurin Laura Müller (rechts)

Wohin einen die Leidenschaft für Technik bringen kann: GTÜ-Prüfingenieurin Fanny Frey und Formel-1-Renningenieurin Laura Müller haben einen ähnlichen Antrieb, mit dem sie ihren Traum zum Beruf gemacht haben. Ein Blick in das tägliche Rennen:

Wie kamen Sie zu Ihrem Job?

Laura Müller ist seit dieser Saison als erste Frau leitende Renningenieurin in der Formel 1 und während der Rennen am Kommandostand für den Franzosen Esteban Ocon und dessen Rennwagen verantwortlich. 1991 am Bodensee geboren, hat sie in München Fahrzeugtechnik studiert und anschließend für das Abt-Team in der DTM gearbeitet, ehe sie 2022 als Performance-Ingenieurin zum Haas-Rennstall wechselte und vor dieser Saison befördert wurde.

Fanny Frey ist Prüfingenieurin bei der GTÜ auf der Schwäbischen Alb. In ihrem Alltag prüft Sie Kraftfahrzeuge, beschäftigt sich mit Änderungsabnahmen sowie unter anderem auch mit Gutachten für Historische Fahrzeuge. Sie hat 2019 ihr Studium der Fahrzeugtechnik in Esslingen abgeschlossen und sich danach für die Weiterbildung und Qualifizierung zur Prüfingenieurin entschieden. Seit vier Jahren ist sie nun mit Leidenschaft Prüferin bei der Götz Ingenieur und Sachverständigen GmbH in Albstadt.

Warum musste es gerade dieser Job sein?

Fanny Frey: Ich war schon immer von Technik begeistert und habe bereits als Kind viel lieber mit Papa an Autos geschraubt, anstatt mit Mama ein Buch zu lesen. Nach meinem Realschulabschluss habe ich das Technische Gymnasium absolviert, natürlich folgte ein technisches Studium. Während des Studiums habe ich zwei Praktika bei Mercedes-AMG absolviert, und geschrieben. Nebenbei habe ich wieder gemerkt, dass die Arbeit am Schreibtisch keine Option für mich sein wird. Ich möchte den Kontakt und den Austausch mit Menschen. Jetzt habe ich alles, was mich begeistert.

Laura Müller: Nach dem Abitur wusste ich noch nicht, was ich später machen wollte. Physik hat mich nicht so interessiert, aber Sprachen und Mathematik. Danach habe ich ein Jahr in Australien verbracht. Dort gibt es eine starke Tourenwagenserie, und ich habe mich an meine Rennwagenbegeisterung als Kind erinnert. Ich war damals ein großer Fan von Michael Schumacher. So kam mein Berufswunsch zustande – ich wollte im Motorsport arbeiten. Ich wäre nicht zu diesem Job gekommen, wenn es nicht immer wieder Leute gegeben hätte, die an mich geglaubt hätten.

Wie sieht Ihr Job aus?

Laura Müller: Ich bin verantwortlich für alles, was den Formel-1-Rennwagen angeht – und möglichst viel Leistung aus der richtigen Fahrzeugabstimmung zu gewinnen. Außerdem gilt es, auch aus dem Fahrer ein Höchstmaß an Leistung herauszuholen. Als Renningenieurin muss man alle möglichen Dinge im Blick haben, um schnell Entscheidungen treffen zu können. Man muss dazu auch wissen, was die anderen im Team gerade tun. Die Verantwortung ist daher groß. Es geht aber auch um das Zusammenspiel mit dem ganzen Team und den Mechanikern und das Beste herauszuholen.

Fanny Frey: Ich prüfe täglich Kraftfahrzeuge jeglicher Klassen. Von PKW über 40-Tonner, Zweiräder bis zu Traktoren. Dafür bin ich vormittags größtenteils im Außendienst an Prüfstützpunkten, an denen ich die Hauptuntersuchungen durchführe und im engen Austausch mit Mechanikern und Werkstattmeistern bin. Nachmittags prüfe ich an unserer Prüfstelle. Hier bin ich von der Annahme/Anmeldung der Kunden bis zum Abschließen des Berichts für alles zuständig.

Was braucht es in Ihrem Job?

Fanny Frey: Viel Knowhow über jegliche Fahrzeuge, die sich auf den Straßen befinden. Den nötigen Sachverstand natürlich, aber auch ein Gefühl für Menschen, um das Ergebnis der Hauptuntersuchung übermitteln zu können. Mir ist es sehr wichtig, dass ich meine Kunden möglichst nah an meine Arbeit heranführen kann! Auf der einen Seite erhoffe ich dadurch Verständnis, auf der anderen finde ich es gut, meine Expertise an andere weiterzugeben!

Laura Müller: Ich lerne immer viel, gerade, was die direkte Kommunikation mit dem Fahrer angeht. Die Zusammenarbeit muss intensiv sein, damit wir beide zusammen am meisten Leistung aus uns herausholen können. Man muss sein ganzes Herz und alle Leidenschaft in diesen Job stecken. Und man braucht andere, die einem helfen. Harte Arbeit allein reicht oft nicht.

Was ist das Beste an ihrem Job?

Laura Müller: Ich sehe sehr schnell die Resultate meiner Arbeit – ob gut oder schlecht. Wenn ein Fahrer glücklich ist mit meinen Entscheidungen, ist das sehr befriedigend.

Fanny Frey: Die Mischung aus Kundenkontakt und Prüfvorgang sowie die Vielfalt an Fahrzeugen, die von einem Renault 4 Baujahr 1961 bis hin zu einem Audi A6 e-tron mit neuester Technologie reicht!

Spielt es für Kollegen und Kunden eine Rolle, dass Sie weiblich sind?

Fanny Frey: Ich höre tatsächlich sehr oft, dass es ungewöhnlich ist, eine Frau in diesem Beruf anzutreffen. Das ist auch völlig okay für mich, da der Frauenanteil tatsächlich sehr gering ist. Es beeinflusst aber mich nicht. Vielmehr freut mich, dass den Leuten auffällt, dass auch Frauen diesen Beruf ausüben können. Den ein oder anderen unangenehmen Spruch bekommt man natürlich auch zu hören, doch mit Humor und Gelassenheit schafft man es, dass solche Situationen einen nicht aus der Ruhe bringen.

Laura Müller: Ich konzentriere mich einfach darauf, einen guten Job zu machen, und ich werde nicht anderes behandelt als alle anderen. Schade finde ich nur, dass ich erst die erste Renningenieurin in der Formel 1 bin. Aber ich bin mir sicher, dass das die Sichtbarkeit der Frauen im Motorsport erhöhen wird. Wenn mich Mädchen und junge Frauen jetzt im Fernsehen sehen, denken sie, dass sie das auch schaffen können – und das ist doch klasse. Vor fünf oder zehn Jahren war das noch ganz anders. Ich kann alle nur sagen: Lasst Euch nicht verunsichern, wenn ihr diesen Job wollt!

Was sagen die Kollegen über Sie?

Fanny ist eine echte Bereicherung für uns“, sagt Kollege Marcel, „sie arbeitet äußerst gewissenhaft und prüft immer mit großer Sorgfalt. Sie hat immer ein offenes Ohr und weiß Rat, ganz gleich worum es geht. Man kann sich jederzeit auf sie verlassen, fachlich wie menschlich. Es macht großen Spaß, mit ihr zu arbeiten.“

Auch der Kollege Marcus ist der gleichen Meinung: „Mit Fanny zu arbeiten ist sehr angenehm. Sie ist freundlich und aufgeweckt. Sie nimmt ihren Job sehr ernst und findet auch noch den kleinsten Mangel.“

„Es ist wirklich großartig, mit Laura zu arbeiten. Sie ist eine hervorragende Ingenieurin. Allein, wie viele Stunden sie in ihren Job steckt ist sehr, sehr beeindruckend. Sie zählt sie nicht mal und vergisst gelegentlich das Essen“, sagt Formel-1-Pilot Esteban Ocon. Teamchef Ayao Komatsu lobt: „Laura ist ein sehr zielstrebiger Charakter. Wenn sie die Lösung für ein Problem gefunden hat, weiß sie, dass es gleich zehn neue Fragen zu beantworten gibt.“

Welche Ziele verfolgen Sie?

Laura Müller: Ich bin immer optimistisch, was die nächsten Ergebnisse angeht.

Fanny Frey: Meine Fähigkeiten, sowie mein Wissen stetig weiterzuentwickeln, wofür ich auch für jede neue Herausforderung offen bin.

Hinweis: Zum Teil wurde Material des F1 Teams verwendet.

Der legendäre Mercedes C 111 lebt wieder auf

AMG bringt ein neues Konzeptmodell mit historischen Wurzeln.

Foto: mercedes-benz.com

Die Farbe kommt einem doch gleich bekannt vor: Das Concept Car AMG GT XX ist im selben auffälligen Sunset Beam Orange lackiert wie sein großer Vorgänger im Konzern, der spektakuläre Mercedes C 111. Der konnte in den Sechziger und Siebziger Jahren auf den ersten Blick punkten, dafür sorgten seine Flügeltüren. Die gibt es heute zwar in abgeschwächter Form auch in einem Tesla, aber ansonsten bleibt der zukunftsträchtige Oldie unerreicht.

So schnell wie die Formel 1

Keine einfache Angelegenheit also für die Sportwagen-Experten aus Affalterbach, die sich bei der Neuschöpfung auf die inneren Werte konzentriert haben. Ein revolutionärer Antriebsstrang mit drei Axial-Fluss-Motoren liefert eine Spitzenleistung von über 1.000 kW (mehr als 1.360 PS). Mit der Unterstützung durch eine Höchstleistungsbatterie ist eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 360 km/h drin, das reicht knapp an den Formel-1-Rekord hin. Kein Zufall, dass auch die Rennabteilung der Silberpfeile mit in die komplexe Entwicklung involviert war. Markus Schäfer, Technikvorstand des Konzerns, schwärmt von „der Zukunft der Performance“. Höchst ungewöhnlich sind auch die im GT XX verwendeten innovativen Werkstoffe auf Basis von Biotechnologie – man nehme nur die Sitze aus dem 3D-Drucker oder die Türschlaufen aus einer neuartigen Seidenalternative, die passend zum Exterieur in orange hergestellt wurden.

Foto: mercedes-benz.com

Das wunderbare Orange

Da ist es wieder, der Farbton aus dem C111. Insgesamt vier Prototypen-Version hatten die Mercedes-Ingenieure geschaffen, um mit aller Art von Motoren und Kunststoffkarosserien zu experimentieren. Mal waren es Wankelmotoren, mal Dieselaggregate und Turbolader, die der Flunder die nötige Kraft gaben. Damals galten auch das Lederinterieur und eine Klimaanlage als einmalig, von den optischen Elementen wie den Flügeltüren oder den Klappscheinwerfern ganz abgesehen.

Ein Rekord jagt den nächsten

Die letzten beiden, besonders aerodynamisch geformten Modelle des Zukunftsautos waren auch dank ihrer starken Motorisierung für Rekordfahrten ausgelegt. So wurde 1978

in Nardò die 320-km/h-Marke geknackt, während einer zwölfstündigen Fahrt im Tempodrom erzielte der C 111 eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 316 km/h. Die letzte Version schraubte den Rundstreckenrekord auf 403 km/h. Von den 13 für die Straße vorgesehenen Exemplaren wurden vier verschrottet, die anderen werden in den Automuseen in Langenburg und Untertürkheim verwahrt.

Sie gibt den Ton an – und er das Tempo

Die perfekte Rollenverteilung im Rallye-Auto von Kilian Nierenz und Milena Raithel

Auf den ersten Blick, die klassische Rollenverteilung: Mann am Steuer, Frau auf dem Beifahrersitz. Doch wer genauer hinguckt und hinhört, erkennt bei Milena Raithel und Kilian Nierenz sofort den Unterschied, denn sie sagt, wo es langgeht. Die Arbeitsteilung des Paares aus Oberfranken ist klar geregelt, zumindest solange sie zusammen im Rallye-Auto sitzen: Er holt das Beste aus dem Wagen heraus – und sie das Beste aus ihm. Fahrer und Beifahrer beim Querfeldeinsport, das ist eine echte Schicksalsgemeinschaft. Volle Konzentration, jeder macht sein Ding, aber am Ende funktioniert alles nur im Zusammenspiel. Er lenkt, sie lenkt ihn.

Probefahrt zu Zweit

Das Team Nierenz/Raithel funktioniert ziemlich gut. In diesem Jahr fahren die beiden einen Corsa Rally Electric im internationalen ADAC Opel Electric Rally Cup, liegen nach drei Meisterschaftsläufen in der Gesamtwertung auf dem dritten Platz. Sie sind damit derzeit die besten deutschen Starter. Nicht schlecht für ein Duo, das erst seit drei Jahren zusammen an den Start geht – auf den Wertungsprüfungen und im richtigen Leben. Milena Raithel hat erstmal an der Seite eines anderen Piloten ausprobiert, ob Beifahren etwas für sie ist, Kilian Nierenz hatte schon früh Ambitionen, Rallye auf nationaler und internationaler Ebene zu fahren. Wie der erste gemeinsame Auftritt verlief? „Es war ziemlich spannend, mit Kilian mal im Rennmodus zu fahren“, erinnert sie sich. Der abgerissene Unterfahrschutz? Offensichtlich ein gutes Omen.

Feste Rollen im Cockpit

Jedenfalls hatte sich sofort das gegenseitige Vertrauen eingestellt, und das ist das Wichtigste, wenn es um sportliche Extremsituationen geht. Unisono sagen die beiden: „Wir verstehen uns blind“, sagen sie unisono. Und, dass die Partnerschaft außerhalb des Autos ein großer Vorteil sei, da das Grundvertrauen jenseits der Wertungsprüfungen ja schon da ist. Selbst wenn sich die Beifahrerin mal eine der – seltenen – kleinen Unsicherheiten leistet bei den Ansagen vor der nächsten Kurve, dann hört das Pilot Nierenz schon an der Stimme, und handelt entsprechend vorsichtiger. Rallyefahren hat immer viel mit Gefühl zu tun. Lachend sagt sie, dass er mehr meckert, als es Beifahrerinnen immer nachgesagt wird, und er fügt mit einem Schmunzeln hinzu, dass sie besser darin sei, Dinge wegzustecken. Gemeinsam beteuern sie: „Wir haben auch beim Sport enormen Spaß zusammen.“

Mit Vertrauen durch jede Kurve

Wenn sich einer auf den anderen verlassen kann, dann wird auch nicht viel diskutiert. Gibt es trotzdem Gesprächsbedarf, dann klären es die beiden sofort, und nix aus dem Schalensitz wird mit nach Hause auf die Couch genommen. Die Rollen tauschen, das können sich beide nicht vorstellen. Er sagt, dass er ein schlechter Beifahrer wäre, Sie sagt, dass sie gern nebendran sitzt: „Ich organisiere gern, und das ist bei einer Rallye das A und O. Außerdem hat Kilian das größere Talent am Steuer, und schließlich wollen wir uns ja immer verbessern und nicht verschlechtern.“ Echtes Teamwork, das auch gut für die Beziehung ist: „Wir teilen so viel miteinander und können zusammen etwas erreichen, was ohne den anderen gar nicht möglich wäre.“

Warum gerade Querfeldein?

Motorsport bestimmt auch sonst das Leben der beiden, beim Automobilslalom oder Sim-Racing. Aber die große Faszination, das ist die Rallye. Wer so durch Kurven driften kann, unbekanntes Gelände mit wechselndem Terrain entdecken und erobern kann, den muss die Rundstrecke natürlich langweilen. „Ich mag es, dass wir gleich beim ersten Versuch die richtige Linie finden müssen und nicht 50 mal um die gleiche Piste fahren“, sagt Kilian Nierenz. Als der 27-Jährige davon spricht, dass Rallyefahren viel mit Abenteuer zu tun hat, nickt seine 23 Jahre alte Partnerin.

Eine Frage des Respekts

Gemeinsam lässt sich auch der Druck lindern – oder der Antrieb steigern. „Du musst immer voll und ganz da sein. Kilian arbeitet am Steuer, ich mit meinem Kopf“, sagt die Co-Pilotin über Anspruch und Belastung des gemeinsamen Tuns. Der Druck ist größer geworden, jetzt, wo sie auf europäischer Ebene starten. Angst haben darf man in diesem Sport grundsätzlich nicht, aber leichtsinnig darf auch keiner werden. „Wir nennen es Respekt vor der Aufgabe“ sagen die beiden Oberfranken. Sicher durchkommen und nichts kaputtmachen, das ist die Basis. Alles, was darüber liegt, ist der eigentliche Sport – die Jagd nach der Bestzeit. Rallyefahren mit einem Elektroauto, das gehorcht eigenen Gesetzen. Der Schwerpunkt des Opel liegt maximal tief, das Auto ist schwer – und ist in den Kurven trotzdem schneller als ein Verbrenner.

Die GTÜ geht mit an den Start

Möglich gemacht werden die Auftritte des Teams Nierenz/Raithel auch durch die GTÜ-Prüfstelle Selbitz, denn auf diesem Niveau braucht es nicht nur Können und Nerven, sondern auch Sponsoren. Gute Beziehungen zu Ingenieuren können bei Motorsportlern auch nicht schaden, für die Prüforganisation wiederum ist es schön, wenn das Logo an der Strecke und auch im TV zu sehen ist. Wenn es mit dem geplanten Sprung in die Deutsche Rallye-Meisterschaft klappt, dann braucht es nochmal mehr Unterstützter, Spitzenteams brauchen dort einen mittleren sechsstelligen Betrag. „Wir wollen da reinwachsen“, sagen die beiden über ihr großes sportliches Ziel. Rallyefahren ist für sie längst mehr als ein Hobby. Eine Beziehungskiste im besten Wortsinn.